Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
nass?« Benommen betastete Greta ihr Haar, das tatsächlich in triefenden Strähnen herunterhing. Auf dem Weg vom Parkplatz hatte es wie aus Eimern geschüttet … Dann fiel die Anspannung, die sie bislang fest im Griff gehabt hatte, mit einem Schlag von ihr ab. Wenn sie gleich zu Mattes konnte, dann konnte die Operation unmöglich kompliziert gewesen sein. »Er wird wieder ganz, nicht wahr? Es ist schlimm, aber nicht schlimm-schlimm. Himmel, was bin ich erleichtert.«
Die Krankenschwester tätschelte ihr beruhigend den Arm und zeigte ihr die Waschräume, wo Greta der geliehene Fön erst einmal aus den Händen glitt. Sie fühlte sich wie nach einem Rausch, gleichzeitig überdreht und ausgebrannt, dabei stand ihr die größte Herausforderung noch bevor. Als sie mit einigermaßen trockenen Haaren und noch trockenerem Mund vor Mattes’ Zimmer stand, musste sie sich beherrschen, nicht an der Tür zu lauschen, um zu verstehen, worüber die Stimmen sprachen, die sie dumpf dahinter hörte. Als endlich die Zimmertür aufging und eine Ärztin mit einem Pfleger heraustrat, stand Greta zu ihrer eigenen Überraschung wie angefroren da.
Die Ärztin, eine Frau um die fünfzig, blickte sie über ihre Brillengläser hinweg an. »Sie möchten zu Herrn Ennenhof, richtig? So früh hat der gewiss nicht mit Besuch von Beekensiel gerechnet, schon gar nicht bei dem Wetter. Na, er wird sich jedenfalls freuen, Sie zu sehen, er fühlt sich nämlich nicht allzu wohl in seinem OP -Hemdchen. Sie haben ihm doch frische Sachen mitgebracht, oder?«
»An so etwas Gewöhnliches wie Wechselwäsche oder einen Kulturbeutel habe ich – ehrlich gesagt – nicht eine Sekunde lang gedacht«, gestand Greta.
Die Ärztin blinzelte verwirrt, als könne sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie man in einer solchen Situation nicht daran denken konnte.
»Darf ich jetzt zu ihm rein?« Greta riss allmählich der Geduldsfaden.
»Nur zu, aber bitte keine Umarmungen. Die linke Körperhälfte ist ein einziges Hämatom. Daran wird Ihr Freund noch viel Freude haben.«
Nach einem Kopfnicken zog die Ärztin samt Anhang weiter, und Greta erinnerte sich an den Tipp, den ihr die Krankenschwester gegeben hatte: schön tief durchatmen. Genau das tat sie erst einmal, dann öffnete sie die Tür.
Mattes saß in einem Bett – die linke Gesichtshälfte von Blutergüssen übersät und auf der Stirn ein viel zu großes Pflaster. Trotz dieser Blessuren versuchte er sich an einem Lächeln, doch das bemerkte Greta gar nicht, ihre Augen waren auf den ruhiggestellten Arm gerichtet, der von Gestänge, Verbandzeug und Schläuchen umringt war. Glücklicherweise hatte sie noch die Türklinke in der Hand, an der konnte sie sich nun festhalten.
»Das sieht übler aus, als es ist«, erklärte Mattes mit rauer Stimme, als habe er zu viel Salzwasser geschluckt. »Du hättest den Arm vorher sehen sollen, so ein offener Bruch ist wirklich unheimlich. Aber jetzt ist alles wieder zusammengeschraubt und verpackt, du brauchst vor Aufregung also nicht umzukippen.«
»Habe ich auch gar nicht vor.« Trotzdem gelang es Greta nicht, den Blick von seinem verletzten Arm zu nehmen. »Du Schwachkopf, was hast du bloß angestellt?«, brachte sie mühsam hervor. »Bei einem solchen Unwetter mit dem Segelboot unterwegs zu sein …«
Mattes grinste, nur um im nächsten Moment aufzustöhnen. »Was hältst du davon, mich von der Bettkante aus zu beschimpfen?«
»Keine Umarmungen, hat deine Ärztin gesagt.« Kaum war der Satz raus, bereute ihn Greta auch schon. Was redete sie bloß für einen Unsinn?
Mattes hingegen schien das nicht zu stören, trotz seines ramponierten Äußeren machte er einen durchweg vergnügten Eindruck, sogar das OP -Hemd hatte er offenbar vergessen. »Solange du deine Leidenschaft im Zaum behältst, bekommen wir das mit der Umarmung bestimmt hin. Aber zuerst einmal wäre es schön, wenn du die Tür loslassen würdest. Oder soll die halbe Station mitbekommen, auf welch dusselige Weise ich den Törn beendet habe? Grund dafür war nämlich kein heldenhafter Kampf eines Mannes gegen die See, sondern eine Wasserlache, auf der ich ausgerutscht bin. Dank des gebrochenen Oberarms war ich wohl eine ganze Weile lang weggetreten, jedenfalls war ich vollkommen durchnässt und unterkühlt, als ich zu mir kam. Ich habe dann die Küstenwache informiert, und das ist auch schon die ganze Geschichte. Ein dummer Ausrutscher, im wahrsten Sinne. Es besteht also kein Grund, vor Schreck wie ein
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