Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
und Verstauchungen regt er sich auch jedes Mal auf, vor allem weil das letzte Mal schon einige Zeit her ist und wir gehofft hatten …« Es war Trude vom Gesicht abzulesen, wie sie die unangenehmen Stellen der Unterhaltung noch einmal im Geiste durchging. Dann wurde sie plötzlich ernst. »Was Sie da über den alten Ennenhof gesagt haben, Herr Rosenboom, mag zwar stimmen, und auch sein Sohn Ole, Mattes’ Großvater, hatte nur den eigenen Vorteil im Sinn und hat dem Familienbetrieb damit nicht nur Gutes getan. Mattes schlägt jedoch nicht in diese Richtung, der geht ganz nach seiner Mutter Rose, die zwar auch eine Ennenhof war, aber mehr Herz hatte als die ganze Sippe zusammen. Zu viel Herz, sollte man meinen … Sie ist vor einigen Jahren ganz allein irgendwo in Andalusien verstorben, dahin war sie ausgewandert, weil sie Beekensiel nicht ertrug. Eine traurige Geschichte. Jedenfalls sollten Sie es dem Jungen nachsehen, wenn er nicht allzu freundlich gewesen ist, das nächste Mal macht er es bestimmt wieder wett.«
»Auf ein nächstes Mal kann ich gern verzichten«, murmelte Greta, während sie ihr Gepäck nahm, um die Treppen bis unters Dach zu erklimmen. Mattes Ennenhof war nun wirklich nicht nach ihrem Geschmack: ein sturer Insulaner, der einer Familie aus geschäftsgierigen Meeresausbeutern entstammte und zu jedem Streit bereit war – noch mehr konnte ein Mann nicht von ihrer Wunschvorstellung abweichen.
10
Zu Gretas Zimmer gehörte eine ganze Reihe der quadratischen Fenster, durch die man – wie Trude versprochen hatte – ausschließlich den Himmel sah. Nur noch wenige Momente, dann würde draußen sturmgepeitschte Dunkelheit herrschen, wie Greta mit einem wohligen Schauder feststellte.
Das Dachzimmer war ganz nach ihrem Geschmack, auch wenn es deutlich größer als ihre Kammer im Backsteinhaus ausfiel. Es handelte sich um einen großzügigen, länglich geschnittenen Raum, dessen Wände zwischen den Holzbalken mit Tuchen bespannt waren. Als wäre sie ein neugieriges Mädchen, berührte sie die ungewöhnliche Verkleidung mit dem kornblauen Gänseblumenmotiv. Die Wandbespannung ließ sich leicht wie Watte eindrücken, und Greta fragte sich, um was für einen Dämmstoff es sich wohl handelte. Das Zimmer roch würzig nach Heublumen, und es gab eine harzige Note wie von frisch geschlagenem Holz. Dabei hätte sie in so einem altmodisch anmutenden Hotel eher mit einer Putzmittelnote und muffigen Ecken gerechnet. Das Himmelbett unter der Dachschräge war in dasselbe Material gekleidet, und Greta fühlte sich versucht, sich auf die dicke Matratze fallen zu lassen und die Gänseblümchen darauf zu zählen, bis sie einschlief. Dafür fehlte ihr jedoch die Zeit, denn in einer Stunde wollte sie Arjen zum Abendessen im Restaurant des Hotels mit dem seltsamen Namen Leileckerland treffen. Mit einem Drücken im Magen kam ihr der Gedanke, dass sie notgedrungen Mattes Ennenhofs Fisch würde essen müssen. Seine Worte klangen ihr immer noch nach, als würde ein Teil von ihr weiterhin unten an der Rezeption stehen und sich mit ihm einen Schlagabtausch liefern.
Schweren Herzens wendete Greta sich von dem Bett ab und räumte stattdessen ihre Garderobe in den Wandschrank, ehe sie die Badezimmertür öffnete. Sie stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
»Da hat die liebe Frau Trude ja keinen Deut zu viel versprochen. Das sind ja paradiesische Zustände hier.«
Auch an den Wänden des Badezimmers dominierten rohe Holzbalken, zwischen denen die Wände allerdings weiß getüncht waren, während Greta auf dem Boden die Fliesen mit dem blauweißen Zwiebelmuster von der Rezeptionstheke wiederentdeckte. Kunstvoll bildeten sie den Umriss nach und erinnerten den Besucher daran, in welchem Landstrich er zu Gast war. In der Mitte des Raums stand die angekündigte Badewanne auf Messingfüßen, mit einer schwarzen Außenwand und einem Emaillebauch. Ein Traum. Fehlt nur noch eine Riesenflasche Badeschaum, dachte Greta verzückt. Aber das nach Zitrone duftende Badesalz, das in einem blassgrauen Tongefäß auf der Wannenablage stand, war auch nicht zu verachten, wie sie schon wenige Minuten später feststellte.
Erfrischt und gut gelaunt traf Greta im Leileckerland ein, das neben der Rezeption lag. Von dem Dutzend Tische waren an diesem Abend nur drei besetzt. Arjen saß bereits in der Nähe des Kamins über einem Glas Bier und sah min destens genauso erholt aus wie seine Enkeltochter, was Greta ein wenig überraschte. Der Tag war lang gewesen,
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