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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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silbernen Rahmen hingenauf den mit roten Tapeten verkleideten Wänden. Zwei römische Marmorstatuen standen in gegenüberliegenden Nischen, die man eher in einem Museum vermutet hätte als in einem Privathaus, wo sie irgendwie anstößig wirkten. Mitten im Winter standen überall Blumen und Pflanzen auf Tischen und Säulen, die ihren schweren Duft in den überheizten Räumen verströmten. Die Klaviermusik kam aus einem Raum am anderen Ende des Ganges. Außer uns war niemand zu sehen.
    »Wenn Sie hier bitte warten wollen«, sagte der Türhüter. »Dann sage ich dem Hausherrn Bescheid.«
    Er führte uns in einen Salon, der ebenso üppig ausgestattet war wie der Flur und die Eingangshalle. Auf dem Boden lag ein schwerer Teppich, vor dem Kamin, in dem große, duftende Holzscheite brannten, standen ein Sofa und zwei Sessel, die mit einem dunklen Mauve bespannt waren. Die Fenster waren mit schwerem Samt verhängt, aber es gab eine Glastür, die den Blick auf einen Wintergarten voller Farne, Orangenbäumchen und Palmen erlaubte, in der Mitte ein großer Messingkäfig mit einem Papagei. Eine Seite des Raumes war mit Bücherschränken bedeckt, an der anderen stand eine Kredenz mit allerlei Ausstellungsstücken: blau-weißes Porzellan aus Delft, gerahmte Photographien, zwei ausgestopfte Kätzchen auf kleinen Stühlen, die ihre Pfoten aneinanderdrückten, als ob sie ein Ehepaar wären. Ein pseudogotisches Tischchen mit einer Auswahl an Whisky, Cognac und Portwein stand vor dem Kamin.
    »Bitte machen Sie es sich bequem«, sagte der Diener. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Wir lehnten beide ab.
    »Dann möchte ich Sie bitten, hier auf mich zu warten. Ich komme gleich wieder.« Seine Füße machten kein Geräusch auf dem Teppich, als er hinausging. Er schloss die Tür hinter sich, und wir waren allein.
    »Um Himmels willen, was ist das für ein Ort, Holmes?«, rief ich mit unterdrückter Stimme.
    »Das ist das House of Silk«, sagte er grimmig.
    »Ja, aber was …«
    Er hob die Hand, um mich zu stoppen. Er war an die Tür getreten und lauschte nach draußen. Als er sicher war, dass niemand davorstand, zog er sie vorsichtig auf und gab mir ein Zeichen. »Es steht uns eine scheußliche Prüfung bevor«, sagte er leise. »Es tut mir fast leid, dass ich Sie hierhergebracht habe, mein Freund. Aber wir müssen die Sache beenden.«
    Wir glitten hinaus. Der Türsteher war nicht zu sehen, aber das Klavier spielte immer noch, jetzt einen Walzer. Es schien mir, als wären die Saiten ein wenig verstimmt. Wir gingen den Korridor weiter hinunter, auf die Musik zu und weg von der Tür. Irgendwo über uns hörte ich einen kurzen Schrei, und mir gefror das Blut in den Adern, denn ich war mir sicher, dass es der Schrei eines Kindes gewesen war. Eine Wanduhr zeigte mir, dass es zehn vor neun war, aber wir waren so eingeschlossen in diesem Gebäude, so abgetrennt von der Außenwelt, dass es jede beliebige Tages- oder Nachtzeit hätte sein können.
    Wir kamen an eine Treppe und gingen langsam und leise hinauf. Wir hatten kaum ein paar Stufen geschafft, als ich irgendwo auf dem Korridor eine Tür schlagen hörte und eine Männerstimme ertönte, die mir vage bekannt schien. Das war wohl der Hausherr. Er war auf dem Weg, um mit uns zu reden.
    Jetzt eilten wir schneller voran und schafften es gerade noch auf den Treppenabsatz, als unter uns zwei Gestalten – der Page und der Hausherr – vorbeigingen.
    »Weiter, Watson«, hauchte Holmes, als ich nach unten sah.
    Wir erreichten den oberen Flur. Hier waren die Gaslampen weit heruntergedreht, so dass ein schummriges Licht herrschte. Auch hier lag ein dicker Teppich, und die Wände waren mitBlumenmustern bedeckt. Links und rechts gab es zahlreiche Türen, zwischen denen Ölgemälde in schweren Rahmen hingen. Wie sich zeigte, waren es schlechte Kopien von klassischen Meisterwerken. Ein unangenehmer, süßlicher Geruch lag in der Luft. Obwohl ich die Wahrheit noch immer nicht begriffen hatte, sagten mir alle Instinkte, dass ich hier wegwollte, und ich wünschte mir, dieses Haus nie betreten zu haben.
    »Wir müssen uns für eine Tür entscheiden«, murmelte Holmes. »Aber welche?«
    Die Türen sahen alle gleich aus: polierte Eiche mit weißen Porzellanknöpfen. Am Ende wählte er die, die ihm am nächsten war. Er drehte den Knopf und machte sie auf. Wir sahen gemeinsam hinein. Wir sahen den Parkettboden, den weißen Teppich, die Kerzen, den Spiegel, den Krug und die Waschschüssel. Wir sahen den

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