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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Lestrade, und das wissen Sie auch.« Holmes wandte mir seine Aufmerksamkeit zu. »Können Sie noch, Watson? Sind Sie verletzt?«
    »Nichts, was ein bisschen Franzbranntwein und ein Whisky-Soda nicht heilen könnten«, erwiderte ich. »Aber sagen Sie, Holmes: Haben Sie schon heute Mittag gewusst, dass uns eine Falle gestellt werden würde?«
    »Ich hatte den starken Verdacht. Es erschien mir ziemlich unwahrscheinlich, dass dieses Flugblatt nicht schon früher entdeckt worden war, wenn die Betten doch jeden Monat desinfiziert wurden. Außerdem war der Reklamezettel druckfrisch. Wenn Ross ihn tatsächlich da oben in der Schule versteckt hätte, wäre er zumindest ein Vierteljahr alt gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt war der Wanderzirkus von Dr. Silkin wahrscheinlich noch irgendwo auf den Landstraßen. Und wie ich unserem verstorbenen Freund Henderson gerade erläutert habe: Ich falle nicht zweimal auf denselben Trick rein. Ich weiß inzwischen, wie unsere Gegner arbeiten.«
    »Was heißt das genau?«
    »Man hat Sie benutzt, um mich zu finden. Die Männer, die Ihnen zur Holborn Viaduct Station gefolgt sind, waren keine Polizisten. Es waren Leute, die im Auftrag unserer Gegner gehandelt haben. Man hatte Ihnen diesen Hinweis zugespielt, weil man hoffte, Sie wüssten, wo ich mich aufhalte, und würden mir dieses Blatt bringen.«
    »Aber der Name! Dr. Silkin’s House of Wonders. Wollen Sie mir sagen, dass es mit dem ganzen Fall nichts zu tun hat?«
    »Mein lieber Watson! Der Name Silkin ist gar nicht so selten. Sie hätten auch den Schuhmacher Silkin in Ludgate oder das Holzlager in Battersea nehmen können. Oder Silkman oder Silk Way oder sonst irgendwas, das uns glauben macht, wir wären dem House of Silk näher gekommen. Es kam ihnen nur darauf an, mich aus meinem Versteck zu locken, damit sie mich endlich beseitigen konnten.«
    »Und wie war das mit Ihnen, Inspektor? Wie sind Sie so pünktlich hierhergekommen?«
    »Mr. Holmes hat sich an mich gewandt und mich gebeten zu kommen, Dr. Watson.«
    »Sie haben also an seine Unschuld geglaubt?«
    »Ich habe nie daran gezweifelt. Als ich mir die Sache am Coppergate Square genauer anschaute, wurde mir bald klar, dass da etwas nicht stimmte. Inspektor Harriman hat behauptet, er sei von einem Bankraub in der White Horse Road gekommen, aber einen solchen Bankraub hat es da nie gegeben. Ich habe mir die Berichte angesehen, ich habe die Bank besucht. Und ich habe mir gedacht: Wenn Harriman schon in dieser Frage vor Gericht einen Meineid riskiert, dann hat er wahrscheinlich auch sonst gelogen.«
    »Lestrade hat sich auf ein riskantes Spiel eingelassen«, unterbrach Holmes. »Zuerst wollte er mich den Behörden ausliefern. Aber wir kennen uns bei allen Meinungsunterschieden doch viel zu gut und haben zu oft erfolgreich zusammengearbeitet, um uns von einer falschen Anklage auseinanderbringen zu lassen. Nicht wahr, Lestrade?«
    »Wenn Sie es sagen, Mr. Holmes.«
    »Inspektor Lestrade ist genauso begierig wie ich, diese Affäre zu Ende und die Schuldigen vor Gericht zu bringen.«
    »Der hier lebt noch!«, rief einer der Polizeibeamten.
    Holmes ging zu Bratby und kniete sich neben ihm hin. »Können Sie mich verstehen?«, fragte er. Es folgte ein Schweigen, dann kam ein leises Wimmern wie von einem Kind, das Schmerzen hat. »Wir können nichts für Sie tun, aber Sie haben noch etwas Zeit, um Ihr Gewissen zu erleichtern, ehe Sie vor Ihren Schöpfer treten.«
    Bratby fing an zu schluchzen.
    »Ich weiß alles über das House of Silk«, sagte Holmes. »Ich weiß, was es ist. Ich weiß, wo es ist … ich war sogar letzte Nacht da, aber ich habe es leer und still vorgefunden. Mir fehlt nur eine einzige Information, aber die ist wichtig, wenn wir die Sache zu Ende bringen wollen. Um deines Seelenheils willen, Jason, sag mir: Wann ist das nächste Treffen?«
    Es folgte ein langes Schweigen. Fast gegen meinen Willen spürte ich Mitleid für diesen Mann, der mich und Holmes vor wenigen Minuten noch hatte umbringen wollen und der jetzt bald selbst seinen letzten Atemzug tun würde. Denn im Augenblick des Todes sind alle gleich – und wer sind wir, zu richten, wenn ein anderer, größerer Richter schon wartet?
    »Heute Nacht«, sagte Bratby. Und starb.
    Holmes richtete sich auf. »Das Glück scheint endlich auf unserer Seite zu sein, Inspektor«, sagte er. »Werden Sie mich noch ein Stück weiter begleiten? Und haben Sie mindestens zehn Mann zu Ihrer Verfügung? Sie müssen ziemlich charakterfest und

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