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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Fassade wurde links und rechts vom Eingang durch elegante, völlig symmetrische Fenster durchbrochen. Die Symmetrie erstreckte sich sogar auf die schönen Bäume, die so gepflanzt worden waren, dass die eine Hälfte des Gartens das genaue Spiegelbild der anderen war. Aber dann hatte man nachträglich alles durch einen italienischen Brunnen verdorben, der mit seinen von einer dünnen, im Sonnenlicht funkelnden Eisschicht überzogenen Delfinen und kleinen Liebesgöttern in sich zwar sehr schön, aber doch so störend aus der Mittelachse verrückt war, dass man ihn gar nicht betrachten konnte, ohne sogleich das starke Bedürfnis zu haben, ihn anzuheben und zwei, drei Meter nach links zu versetzen.
    Es stellte sich heraus, dass die Polizei bereits abgezogen war. Ein elegant gekleideter Bediensteter mit grimmigem Gesicht machte die Tür auf. Er führte uns durch einen breiten Gang, von dem links und rechts Türen abgingen. Die Wände dazwischen waren mit Gemälden, Stichen, alten Spiegeln und Tapisserien geschmückt. Auf einem kleinen Marmortisch mit geschwungenen Beinen stand die Skulptur eines Hirtenjungen, der sich sinnend auf seinen Stab stützte. Das andere Ende des Ganges wurde durch eine elegante, weiß-goldene Standuhr bestimmt, deren sanftes Ticken das ganze Haus füllte. Man führte uns in einen Salon, wo Carstairs auf einer Chaiselongue saß und mit einer Frau sprach, die einige Jahre jünger war als er selbst. Er trug einen schwarzen Gehrock mit silberner Weste und Lackschuhe. Sein langes Haar war säuberlich nach hinten gekämmt. Sein Anblick ließ nichts Schlimmeres vermuten, alsdass er gerade eine Partie Bridge verloren hatte. Aber sobald er uns erblickte, sprang er auf die Füße.
    »So! Sie sind also doch gekommen! Gestern haben Sie mir noch gesagt, ich hätte von dem Mann, den ich für Keelan O’Donaghue halte, nichts zu befürchten. Und dann ist er letzte Nacht hier eingebrochen und stiehlt mir fünfzig Pfund und Schmuck aus dem Tresor! Wenn meine Frau nicht so einen leichten Schlaf und ihn dabei überrascht hätte, wer weiß, was er sonst noch getan hätte.«
    Meine Aufmerksamkeit wandte sich jetzt der Dame zu, die nach wie vor auf der Couch saß. Sie war eine zierliche, höchst attraktive Person von ungefähr dreißig Jahren, deren aufgewecktes, intelligentes Gesicht und selbstbewusste Haltung mich gleich sehr beeindruckten. Ihr blondes Haar war zu einem Knoten geschlungen, was die Eleganz und Weiblichkeit ihrer Züge noch unterstrich. Ich hatte das Gefühl, dass sie einen Sinn für Humor hatte, der auch die Aufregungen dieses Morgens gut überstanden hatte. Man konnte ihn sowohl in ihren leicht gekräuselten Lippen als auch in ihren grün-blauen Augen entdecken, die ständig am Rand eines Lächelns zu schweben schienen. Ihre Nase und ihre Wangen zeigten ein paar ganz feine Sommersprossen. Sie trug eine Perlenkette und ein einfaches, langärmeliges Kleid, ohne alle Rüschen und Bänder, und hatte etwas, das mich sogleich an meine liebe Mary erinnerte. Noch ehe sie den Mund aufmachte, war ich mir sicher, dass sie nicht nur einen unabhängigen Geist, sondern auch ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein gegenüber dem Mann hatte, den zu heiraten sie sich entschlossen hatte.
    »Vielleicht sollten Sie damit beginnen, uns vorzustellen«, bemerkte Holmes.
    »Natürlich. Das ist meine Frau, Catherine.«
    »Und Sie sind gewiss Sherlock Holmes. Ich bin sehr froh,dass Sie so rasch auf unser Telegramm reagiert haben. Ich habe Edmund gebeten, es Ihnen zu schicken; denn ich war sicher, Sie würden gleich kommen.«
    »Und Sie hatten eine sehr unangenehme Begegnung?«, fragte Holmes.
    »Allerdings. Es war genau, wie mein Mann sagte. Ich bin letzte Nacht aufgewacht, als es gerade zwanzig nach drei war, wie die Uhr zeigte. Der Vollmond schien durchs Fenster. Erst dachte ich, eine Eule oder ein anderer Nachtvogel hätte mich aufgeschreckt, aber dann hörte ich ein Geräusch aus dem Inneren des Hauses und wusste, dass es etwas anderes sein musste. Ich stand auf, zog meinen Morgenmantel an und ging die Treppe hinunter.«
    »Das war ziemlich dumm von dir, meine Liebe«, sagte Carstairs. »Du hättest verletzt werden können.«
    »Ich hatte nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein«, sagte die junge Frau. »Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, es könnte ein Fremder im Haus sein. Ich dachte, es wären Mr. oder Mrs. Kirby oder vielleicht auch Patrick. Wissen Sie, ich traue dem Jungen nicht recht. Auf jeden Fall schaute ich

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