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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Holmes.
    »Ich hatte sie in Boston in Dienst genommen. Ich kannte sie vorher nicht, und sie verließ mich auch bald nach der Ankunft in England.«
    Draußen auf dem Gang schlug die Standuhr die Stunde. Holmes sprang auf, mit einem Lächeln auf seinem Gesicht und all jener Energie und Begeisterung, die mir von so vielen Abenteuern bekannt war. »Wir dürfen keine Zeit mehr verschwenden!«, rief er aus. »Ich möchte jetzt den Safe und das Zimmer untersuchen, in dem er sich befindet. Sie sagen, fünfzig Pfund sind gestohlen worden? Keine große Summe, wenn man es genau bedenkt. Lassen Sie sehen, was der Dieb zurückgelassen hat.«
    Aber noch ehe wir etwas unternehmen konnten, trat eine weitere Frau in den Raum, und ich sah sofort, dass sie zwar Teil des Haushalts, aber von gänzlich anderer Art als Catherine Carstairs war. Sie war unansehnlich und gänzlich in Grau gekleidet, lächelte nicht und hatte ihr Haar auf unvorteilhafte Weise im Genick zusammengebunden. Sie trug ein großes silbernes Kreuz um den Hals und ihre Hände waren verknotet, als ob sie ein Gebet nach dem anderen spräche. Aufgrund ihrer dunklen Augen, ihrer bleichen Haut und der Form ihrer Lippen kam ich zu der Vermutung, dass sie eine Verwandte von Carstairs sein musste. Sie hatte allerdings nichts von seinem theatralischen Auftreten, sondern wirkte eher wie eine Souffleuse, die für immer im Schatten hauste und darauf wartete, dass er mal seine Zeilen vergaß.
    »Was ist denn das?«, fragte sie. »Erst werde ich in meinem Zimmer von Polizeibeamten gestört, die mich absurde Dinge fragen, auf die ich keine Antwort zu geben weiß. Und als ob das nicht genug wäre, wird jetzt noch die halbe Welt eingeladen, in unser Privatleben einzudringen?«
    »Dies ist Mr. Sherlock Holmes, Eliza«, stammelte Carstairs. »Ich habe dir doch gestern gesagt, dass ich ihn konsultiert habe.«
    »Und man sieht, was es dir genützt hat. Er hat dir gesagt, dass er nichts für dich tun könne. Eine schöne Konsultation, Edmund. Wir hätten alle im Schlaf ermordet werden können.«
    Carstairs sah sie liebevoll und zugleich voller Ungeduld an. »Das ist meine Schwester Eliza«, erklärte er.
    »Sie wohnen in diesem Haus?«, fragte Holmes.
    »Ich werde geduldet, ja«, sagte die Schwester. »Ich habe hier eine Dachkammer und lebe sehr zurückgezogen, worauf man offenbar großen Wert legt. Ich wohne hier, bin aber nicht Teil der Familie. Sie sollten eher mit der Dienerschaft als mit mir reden.«
    »Das ist nicht fair, Eliza, das weißt du genau«, sagte Carstairs.
    Holmes wandte sich an den Hausherrn. »Wären Sie so freundlich, mir zu sagen, wer alles im Haus wohnt?«
    »Abgesehen von mir und Catherine bewohnt meine Schwester tatsächlich das oberste Stockwerk. Kirby ist unser Hausdiener. Er hat Sie hereingelassen. Seine Frau ist unsere Haushälterin; die beiden wohnen im Souterrain. Außerdem wohnen dort noch ihr Neffe Patrick, der kürzlich aus Irland gekommen und unser Küchenjunge und Laufbursche ist, und das Dienstmädchen, Elsie. Wir haben auch einen Kutscher und einen Pferdeknecht, aber die wohnen im Dorf.«
    »Ein großer, betriebsamer Haushalt«, bemerkte Holmes. »Aber wir waren ja gerade dabei, uns den Safe anzusehen.«
    Eliza Carstairs blieb, wo sie war. Wir Übrigen verließen das Wohnzimmer und gingen ein Stück weit den Gang hinunter ins Arbeitszimmer des Hausherrn, das sich im hinteren Teil des Hauses befand, mit einem schönen Blick in den Garten und aufeinen Zierteich. Es war ein sehr behaglicher, hübsch eingerichteter Raum mit einem großen, von zwei Fenstern eingerahmten Sekretär, Samtvorhängen, einem eleganten Kamin und einigen Landschaftsbildern. Angesicht der bunten Farben und der offensichtlichen Eile und Willkür, mit der sie auf der Leinwand verteilt worden waren, kam ich zu dem Schluss, dass es sich wohl um Beispiele jener »impressionistischen« Malerei handeln musste, von der uns Carstairs so wortreich erzählt hatte. Der Tresor, eine ziemlich solide Angelegenheit, war in einer Ecke versteckt und stand immer noch offen.
    »Haben Sie den Tatort so vorgefunden?«, fragte Holmes.
    »Die Polizei hat den Safe untersucht«, erwiderte Carstairs. »Aber ich hielt es für richtig, ihn bis zu Ihrem Eintreffen offen zu lassen.«
    »Da hatten Sie recht«, sagte Holmes und warf einen Blick auf den Safe. »Er scheint nicht mit Gewalt geöffnet worden zu sein, was darauf hindeutet, dass ein Schlüssel benutzt worden ist.«
    »Es gab immer nur einen Schlüssel,

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