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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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dass er sehr gründlich und tüchtig ist. Er hat bereits festgestellt, dass ein Mann mit amerikanischem Akzent heute Morgen um fünf den ersten Zug von Wimbledon nach London Bridge genommen hat. Aufgrund seiner Kleidung und der Narbe auf seiner rechten Gesichtshälfte sind wir sicher, dass es sich um denselben Mann handelt, den ich vor meinem Haus gesehen habe.«
    »Wenn Lestrade mit der Sache befasst ist, kann ich Ihnen versichern, dass er sehr bald zu einem Ergebnis kommt, auch wenn es vollkommen falsch ist. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Mr. Carstairs. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mrs. Carstairs. Kommen Sie, Watson …«
    Wir gingen über den Flur zurück zum Ausgang, wo Kirby bereits auf uns wartete. Bei der Begrüßung war er wenig freundlich gewesen, aber das lag vielleicht auch nur daran, dass er uns wahrscheinlich als Hindernis bei der reibungslosen Bewältigung der Hausarbeit ansah. Er hatte ein mürrisches, scharfkantiges Gesicht und wirkte sehr verschlossen – ein Mann, der bestimmt nicht mehr sagte als unbedingt nötig. Als er Holmes’ Fragen beantwortete, erwies er sich freilich als etwas zugänglicher. Er bestätigte, dass er jetzt seit sechs Jahren in Ridgeway Hall war. Er stammte ursprünglich aus Barnstaple, seine Frau aus Belfast. Ob sich das Haus sehr verändert hätte in dieser Zeit, fragte Holmes.
    »O ja, Sir«, erfolgte die Antwort. »Die alte Mrs. Carstairs hielt sich sehr streng an ihre Gewohnheiten. Und wenn ihr etwas nicht passte, ließ sie einen das wissen. Die neue Mrs. Carstairs ist vollkommen anders. Sie hat ein fröhliches Temperament. Meine Frau sagt immer, sie ist wie ein frischer Wind.«
    »Sie haben sich also gefreut, dass Mr. Carstairs geheiratet hat?«
    »Wir waren entzückt, allerdings auch ein wenig überrascht, Sir.«
    »Überrascht?«
    »Es geht mich ja eigentlich gar nichts an, aber Mr. Carstairs hatte sich früher gar nicht für so etwas interessiert, sondern widmete sich gänzlich seiner Arbeit und seiner Familie. Mrs. Carstairs schneite ziemlich überraschend herein, aber wir sind alle der Meinung, dass der Hausstand sehr davon profitiert hat.«
    »Waren Sie hier, als die Mutter von Mr. Carstairs gestorben ist?«
    »Ja, allerdings, Sir. Ich fühle mich sogar ein bisschen schuldig deswegen. Die alte Dame hatte einen Abscheu vor Zugluft, und auf ihren Wunsch hin hatte ich sämtliche Spalten und Ritzen in ihrem Zimmer abgedichtet. Das Gas konnte also gar nicht entweichen. Das Hausmädchen, Elsie, hat sie am Morgen entdeckt. Da war das Zimmer vollkommen mit Gas gefüllt – eine schreckliche Sache.«
    »War der Küchenjunge, Patrick, zu dieser Zeit auch im Haus?«
    »Patrick war eine Woche zuvor eingetroffen. Es war wirklich ein unschöner Anfang.«
    »Patrick ist Ihr Neffe, soviel ich weiß?«
    »Ja, Sir. Genauer gesagt, der meiner Frau.«
    »Aus Belfast.«
    »In der Tat. Patrick hat es nicht leicht gefunden, als Dienstbote. Wir hatten gehofft, es wäre ein guter Anfang für ihn, aber er muss erst noch lernen, wie man sich anpasst. Besonders sein Benehmen gegenüber dem Hausherrn lässt sehr zu wünschen übrig. Es könnte allerdings sein, dass daran auch das Unglück schuld ist, von dem wir gesprochen haben, und das nachfolgende Durcheinander im Haus. Er ist kein übler Bursche, und ich bin fest überzeugt, dass er seinen Weg machen wird.«
    »Vielen Dank, Kirby.«
    »Es war mir ein Vergnügen, Sir. Ich bringe Ihnen gleich Ihren Mantel und Ihre Handschuhe …«
    Draußen im Garten zeigte sich Holmes in einer ungewöhnlich aufgeräumten Stimmung. Er marschierte über den Rasen, sog die erwärmte Nachmittagsluft ein und schien diese kurze Flucht aus der Stadt zu genießen. Der düstere Nebel der Baker Street war uns jedenfalls nicht nach hier draußen gefolgt. In jenen Jahren war Wimbledon zum Teil noch sehr ländlich. Wir sahen sogar ein paar Schafe, die sich neben einigen uralten Eichen auf einem Hügel zusammendrängten. In der Umgebung gab es nur wenige Häuser, und wir waren beide von dieser friedlichen Landschaft und dem herrlich klaren Licht darüber beeindruckt, das alles mit scharfen Konturen umriss. »Das ist ein sehr bemerkenswerter Fall, Watson, finden Sie nicht?«, rief er, als wir durch den Garten gingen.
    »Er kommt mir ziemlich trivial vor«, erwiderte ich. »Fünfzig Pfund wurden gestohlen und eine altmodische Halskette. Ich würde das nicht unbedingt die größte Herausforderung nennen, die Ihnen je begegnet ist,

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