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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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ich Ihnen mein feierliches Ehrenwort gebe, dass wir Ihnen kein Leid zufügen wollen – auch wenn es im Augenblick anders aussieht. Über kurz oder lang wird sich das alles aufklären, und Sie werden verstehen, warum die Vorsichtsmaßnahmen notwendig waren.«
    Seine Sprechweise war zugleich betulich und drohend. Er machte eine kleine Geste mit seiner Waffe, und plötzlich bemerkte ich eine schwarze Kutsche mit zwei Pferden und einem Kutscher, die offenbar schon länger bereitstand. Es war ein schweres Gefährt mit mattierten Fenstern, und ich fragte mich, ob der Mann, zu dem er mich bringen sollte, wohl darin saß. Ich ging hinüber und machte die Tür auf.
    Das Innere war leer, aber die Polster und Beschläge waren von erstklassiger Qualität. »Fahren wir weit?«, fragte ich. »Meine Hauswirtin erwartet mich zum Abendessen.«
    »Da, wo wir hinfahren, kriegen Sie ein besseres Abendessen. Und je schneller Sie einsteigen, desto schneller sind wir unterwegs.«
    Hätte er mich wirklich vor meiner Wohnung niedergeschossen? Ich glaubte es ihm jedenfalls. Er hatte etwas überaus Unerbittliches an sich. Andererseits: Wenn ich jetzt in die Kutsche stieg, würde ich womöglich nie wieder gesehen werden. Wenn er nun von denselben Leuten geschickt worden war, die Ross und seine Schwester ermordet und Holmes auf so raffinierte Weise ins Gefängnis gebracht hatten? Ich stellte fest, dass die Innenwände der Kutsche mit Seide bespannt waren. Allerdings nicht weiß, sondern perlgrau. Gleichzeitig fiel mir wieder ein, dass der Mann gesagt hatte, sein Auftraggeber sei im Besitz von Informationen. Wie immer ich es auch betrachtete, ich hatte das Gefühl, dass ich gar keine Wahl hätte.
    Ich stieg also ein. Der Mann folgte mir, schlug die Tür zu,und augenblicklich wurde mir klar, dass ich zumindest in einem Punkt töricht gewesen war: Ich hatte angenommen, die Scheiben seien undurchsichtig, damit ich nicht hineinsehen konnte. Jetzt stellte sich heraus, dass sie mich am Hinaussehen hindern sollten.
    Der Mann hatte sich mir gegenübergesetzt, die Peitsche knallte, und los ging’s. Alles, was ich sehen konnte, war der matte Schimmer der Gaslaternen, und nach einiger Zeit fielen auch die weg, woraus ich schloss, dass wir die Stadt verlassen hatten. Wahrscheinlich ging es nach Norden. Eine Decke lag für mich bereit, und ich legte sie mir über die Knie, denn wie schon die bisherigen Dezembernächte war auch diese eiskalt.
    Mein Begleiter blieb stumm und schien sogar eingeschlafen zu sein, sein Kopf sank nach vorn, und der Revolver lag locker in seinem Schoß. Aber als ich nach ungefähr einer Stunde die Hand ausstreckte, um ein Fenster zu öffnen und festzustellen, wo wir ungefähr waren, fuhr er auf und schüttelte den Kopf, als hätte er einen unartigen Schuljungen vor sich. »Wirklich, Dr. Watson, das hätte ich nicht von Ihnen gedacht. Mein Auftraggeber hat sich große Mühe gegeben, seinen Wohnsitz vor Ihnen verborgen zu halten. Er lebt sehr zurückgezogen. Ich möchte Sie bitten, Ihre Hände bei sich und die Fenster geschlossen zu lassen.«
    »Wie lange fahren wir denn noch?«
    »So lange wie nötig.«
    »Haben Sie auch einen Namen?«
    »In der Tat, Sir. Aber ich bin nicht befugt, ihn zu nennen.«
    »Und was können Sie mir über Ihren Auftraggeber sagen?«
    »Ich könnte den ganzen Weg bis zum Nordpol über ihn reden, Sir. Er ist eine bemerkenswerte Person. Aber er würde es nicht mögen. Je weniger geredet wird, umso besser.«
    Die Reise war unerträglich lang für mich. Meine Uhr sagte mir, dass sie zwei Stunden dauerte, aber es gab nichts, was mirgesagt hätte, wohin sie führte. Selbst die Entfernung ließ sich nicht abschätzen, denn plötzlich wurde mir klar, dass wir womöglich immer im Kreis fuhren und das Ziel gar nicht so weit entfernt lag, wie es mir schien. Ein- oder zweimal wechselte die Kutsche spürbar die Richtung, und ich wurde ein bisschen herumgeschleudert. Die meiste Zeit ratterten wir über hartes Kopfsteinpflaster, einmal schienen wir unter einer Eisenbahnbrücke hindurchzufahren, denn ich hörte über uns eine Lokomotive fauchen. Ansonsten wurde ich von der Dunkelheit verschluckt, die uns umgab, und döste am Ende wohl selbst ein; denn als Nächstes schreckte ich hoch, als die Kutsche plötzlich zum Halten kam und mein Reisebegleiter die Tür öffnete.
    »Wir gehen direkt ins Haus, Dr. Watson«, sagte er. »So lauten meine Anweisungen. Ich möchte Sie bitten, nicht vor dem Haus zu verweilen. Es ist eine

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