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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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zum möglichen Ertrag steht. Aber sagen Sie ihm ruhig, dass Sie mich konsultiert haben und dass ich tue, was ich kann.«
    »Man erlaubt mir nicht, ihn zu besuchen.«
    »Stellen Sie morgen ein neues Gesuch. Früher oder später wird man Sie zu ihm lassen. Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun.« Er ging mit mir bis zur Tür. »Mein Bruder hat wirklich Glück, einen so zuverlässigen Verbündeten und Biographen an seiner Seite zu haben«, sagte er.
    »Ich hoffe nur, ich habe nicht sein letztes Abenteuer geschrieben.«
    »Leben Sie wohl, Dr. Watson. Es würde mich sehr quälen, wenn ich unhöflich zu Ihnen sein müsste, deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie keinen Kontakt mehr zu mir suchen würden. Außer natürlich in den allerdringendsten Umständen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.«
    Ich kehrte mit schwerem Herzen zurück in die Baker Street. Mycroft war noch weniger hilfreich gewesen, als ich befürchtet hatte, und ich fragte mich, an was für Umstände er wohl gedacht haben mochte, die noch dringender sein könnten als jene, in denen wir uns schon befanden. Wenigstens bestand die Möglichkeit, dass er mir einen Besuch in Holloway ermöglichen würde, die Fahrt war also nicht völlig umsonst gewesen. Allerdings hatte ich Kopfweh, mein zerschossener Arm und meine Schulter pochten, und ich spürte, dass meine Kräfte erschöpft waren.
    Aber der Tag war noch nicht zu Ende. Als ich meine Droschke verließ und zur wohlvertrauten Eingangstür ging, stellte sich mir ein untersetzter Kerl mit schwarzem Haar und schwarzem Mantel in den Weg.
    »Dr. Watson?«, sagte er.
    »Ja?« Ich hatte es eilig, nach Hause zu kommen, aber der stämmige kleine Bursche hatte sich direkt vor mir aufgebaut. »Wären Sie wohl so freundlich, mit mir zu kommen, Herr Doktor?«
    »Worum geht es denn?«
    »Um Ihren Freund Sherlock Holmes natürlich. Worum sollte es sonst gehen?«
    Ich musterte ihn etwas genauer, und das, was ich sah, war nicht sehr ermutigend. Vom Aussehen her hielt ich ihn für einen Handwerker, vielleicht auch für einen Schneider oder einen Beerdigungsunternehmer, denn seine Miene war irgendwie angestrengt trübsinnig. Er hatte schwere Augenbrauen und einen Schnurrbart, der über die Oberlippe herabhing. Außerdem trug er schwarze Handschuhe und einen schwarzen Bowler. So wie er sich auf den Fußballen streckte, erwartete ich jeden Moment, dass er ein Maßband hervorziehen würde. Aber wofür wollte er bei mir Maß nehmen? Für einen neuen Anzug oder den Sarg?
    »Was wissen Sie über Holmes?«, fragte ich. »Wenn Sie Informationen haben, dann sprechen Sie.«
    »Ich habe keine Informationen, Dr. Watson. Ich bin lediglich der Beauftragte, der bescheidene Diener eines anderen, der in der Tat gut informiert ist. Und es ist diese Person, die Sie zu sehen wünscht.«
    »Wo denn? Und um wen handelt es sich?«
    »Es steht mir leider nicht frei, Ihnen das zu sagen.«
    »Dann verschwenden Sie Ihre Zeit. Ich habe keine Lust, heute Abend noch einmal auszugehen.«
    »Ich habe mich wohl nicht klar ausgedrückt, Sir. Das ist keine Einladung, die Sie ausschlagen können. Der Gentleman, für den ich arbeite, verlangt danach, Sie zu sehen, und er ist es gewöhnt, dass man sich seinem Verlangen beugt. Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass eine Missachtung seines Wunsches ein schrecklicher Fehler wäre. Darf ich Sie bitten, nach unten zu sehen, Sir? Nein, erschrecken Sie nicht. Es passiert Ihnen nichts. Aber wenn Sie jetzt bitte mitkommen würden …«
    Ich war einen Schritt zurückgetreten, und als ich, wie verlangt, auf seine Hände blickte, sah ich, dass er einen Revolver auf meinen Magen gerichtet hatte. Ob er ihn gezogen hatte, während wir uns unterhielten, oder ob er ihn schon die ganze Zeit in der Hand gehabt hatte, kann ich nicht sagen, aber es wirkte wie ein degoutanter Zaubertrick. Auf jeden Fall schien er vertraut mit der Waffe zu sein. Wer noch nie einen Revolver in der Hand gehabt hat, hält ihn auf eine bestimmte Weise, und wer schon öfter einen benutzt hat, hält ihn auf eine andere. Ich wusste sofort, zu welcher Kategorie mein potenzieller Entführer gehörte.
    »Sie werden mich nicht mitten auf der Straße erschießen«, sagte ich so gelassen wie möglich.
    »Im Gegenteil, Dr. Watson, ich habe Order, genau das zu tun, wenn Sie Schwierigkeiten machen sollten. Aber wenn ich so offen sein darf: Ich will Sie nicht töten, und ich gehe davonaus, dass Sie nicht sterben wollen. Vielleicht hilft es Ihnen ja, wenn

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