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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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empfing mich auch diesmal im Stranger’s Room, aber er war ziemlich kurz angebunden und sein Benehmen war weitaus förmlicher als bei unserem letzten Besuch. Er begann ohne Umschweife. »Eine üble Sache ist das. Eine ganz üble Sache.Warum hat mich mein Bruder um Rat gebeten, wenn er nicht die Absicht hatte, ihn anzunehmen?«
    »Ich glaube, er wollte eher Informationen von Ihnen als einen Ratschlag«, konterte ich.
    »Das stimmt. Aber angesichts der Tatsache, dass ich nur das eine und nicht das andere zu geben vermochte, hätte er gut daran getan, auf mich zu hören. Ich habe ihm gesagt, es würde nichts Gutes dabei herauskommen – aber so war er schon immer, auch als er noch klein war. Das ist sein Charakter. Viel zu ungestüm. Unsere Mutter hat das auch immer gesagt. Sie war stets in Sorge, dass er in Schwierigkeiten geraten würde. Ich wünschte, sie hätte es noch erlebt, dass er sich als Detektiv etablierte. Das hätte sie zum Schmunzeln gebracht.«
    »Können Sie ihm helfen?«
    »Die Antwort darauf kennen Sie schon, Dr. Watson, ich habe sie bei unserer letzten Begegnung gegeben: Es gibt nichts, was ich tun kann.«
    »Wollen Sie zulassen, dass er wegen Mordes gehängt wird?«
    »So weit wird es nicht kommen. So weit kann es nicht kommen. Ich bin hinter den Kulissen tätig, und obwohl ich auf erstaunlich viel Widerstand und Verdunkelung stoße, ist er bei zu vielen wichtigen Leuten zu bekannt, als dass diese Möglichkeit eintreten könnte.«
    »Er wird in Holloway festgehalten!«
    »Ja, das habe ich gehört. Aber man kümmert sich gut um ihn – im Rahmen der Möglichkeiten, die dieser Ort bietet.«
    »Was können Sie mir über Inspektor Harriman sagen?«
    »Ein guter Kriminalbeamter. Integer, mit einer makellosen Akte.«
    »Und was ist mit den anderen Zeugen?«
    Mycroft schloss die Augen und hob den Kopf, als verkoste er einen guten Wein. Auf diese Weise verschaffte er sich Gelegenheit nachzudenken. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Dr. Watson«, sagte er schließlich. »Und Sie müssen mir glauben, dass ich trotz seines rücksichtslosen Verhaltens stets Sherlocks Interessen im Blick habe. Ich habe bereits unter erheblichem persönlichem Aufwand den Hintergrund von Dr. Thomas Ackland und Lord Horace Blackwater überprüfen lassen und muss Ihnen leider sagen, dass sie, soweit ich erkennen kann, beide vollkommen untadelig sind. Sie stammen aus guten Familien, sie sind unverheiratet und beide sehr wohlhabend. Weder sind sie Mitglieder derselben Clubs, noch haben sie dieselben Schulen besucht. Die meiste Zeit ihres Lebens haben sie Hunderte von Meilen entfernt voneinander gelebt. Von dem Zufall abgesehen, der sie mitten in der Nacht zur gleichen Zeit in Limehouse zusammengeführt hat, gibt es nichts, was sie miteinander verbindet.«
    »Es sei denn das House of Silk.«
    »Genau.«
    »Aber Sie wollen mir nicht sagen, worum es sich dabei handelt.«
    »Ich werde es Ihnen nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Das ist auch der Grund, weshalb ich Sherlock vor dieser Sache gewarnt habe. Wenn es im Herzen der Regierung etwas gibt, eine Verschwörung oder eine Gesellschaft, von der ich nichts weiß und die so geheim ist, dass ich sofort nach Whitehall zitiert wurde, als ich auch nur den Namen erwähnte, dann gehen meine Instinkte dahin, schleunigst wegzuschauen, anstatt närrische Annoncen in der überregionalen Presse aufzugeben! Ich habe meinem Bruder so viel gesagt, wie ich konnte – wahrscheinlich mehr, als ich ihm hätte sagen sollen.«
    »Und was soll jetzt geschehen? Werden Sie zulassen, dass er vor Gericht kommt?«
    »Es geht nicht darum, was ich zulasse oder nicht. Ich fürchte, Sie schätzen meinen Einfluss zu hoch ein.« Mycroft zog einkleines Perlmuttkästchen aus seiner Westentasche und nahm eine Prise Schnupftabak. »Ich kann allenfalls als sein Verteidiger auftreten. Ich kann mich für ihn einsetzen. Und wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, kann ich als Charakterzeuge für ihn aussagen.«
    Ich muss wohl sehr enttäuscht ausgesehen haben, denn plötzlich steckte Mycroft den Schnupftabak weg, stand auf und kam zu mir herüber. »Verlieren Sie nicht den Mut, Dr. Watson«, sagte er. »Mein Bruder ist ein Mann von beträchtlichen Fähigkeiten, und auch jetzt, in dieser dunkelsten Stunde, wird er Sie vielleicht überraschen.«
    »Werden Sie ihn besuchen?«, fragte ich.
    »Ich glaube nicht. So eine Begegnung wäre ihm sicher peinlich, und für mich wäre es eine Unbequemlichkeit, die in keinem Verhältnis

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