Das Geheimnis meiner Mutter
den Idioten betteln zu hören“, war eine gelangweilte, leicht gedämpfte Stimme zu hören.
Zutiefst erleichtert zog Daisy ihre Schneeschuhe aus und half Zach dabei, Sonnet auszugraben. Sie waren Idioten, alle drei von ihnen. Sie hatten hier oben im Niemandsland nichts zu suchen, schon gar nicht mitten im Winter, wo niemand sie je finden würde, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten. Wenn es darum ging, dumme Dinge zu tun, war Daisy die Meisterin, aber sogar sie erkannte, dass das hier eine ganz schlechte Idee war.
„Danke, Gott, für all den Schnee“, sagte Sonnet, als Zach ihre Hände packte und sie herauszog. Ihre Augen glänzten, ihre Wangen glühten. „Das war ein weicher Platz zum Fallen.“ Sie rappelte sich aus dem pudrigen Schnee auf. „Danke, Mädels“, sagte sie.
„Ich denke, wir sollten umkehren“, sagte Zach. „Mir ist kalt. Komm, ich helfe dir mit deinen Schneeschuhen.“
„Warte kurz“, sagte Sonnet. „Gib mir mal einen deiner Skistöcke.“
„Was willst du damit?“ Zach reichte ihn ihr.
„Ich glaube, ich habe was gefunden.“
„Vermutlich die Mutter des Winterschläfers, den du aufgeweckt hast.“
„Nein, sieh doch nur.“ Sie schob den Stock durch den Schnee, doch anstatt gegen die Felswand zu stoßen, rutschte er immer weiter.
„Eine weitere Höhle“, sagte Sonnet.
„Na super“, sagte Zach. „Die ist vermutlich …“
„Guck doch mal.“ Der Schnee fiel in sich zusammen, und Daisy schaute mit einem Mal auf eine Öffnung in der Felswand. Diese war groß genug, dass sie alle drei hineinpassten, wenn sie auf die Knie gingen.
„Na, das nenne ich eine Höhle.“ Zach schaltete seine Taschenlampe an und leuchtete die Höhle aus. Nachdem sie sich durch den niedrigen Eingang gequetscht hatten, sahen sie, dass drinnen ausreichend Raum zum Stehen war.
Okay, es war nicht so beeindruckend wie das, was Sonnet beschrieben hatte. Es gab kein glitzernd blaues Kristall, das die Wände bedeckte, wie in Merlins Höhle. Es war schwer, das Eis vom Felsen zu unterscheiden, weil es mit einer feinen Staubschicht bedeckt war. Unter ihren Knien war der Boden uneben und von einem körnigen, grauen Schmutz bedeckt, der so aussah wie das, was am Ende eines Winters von den Schneewehen auf den Straßen übrig bleibt. Daisy machte ein paar Fotos. Als der Blitz durch den Raum schoss, erhellte er Stellen, die aussahen, als wenn sie seit Anbeginn der Zeiten in ungestörter Dunkelheit gelegen hätten. „Vielleicht sind wir die Ersten, die diese Höhle je betreten haben“, sagte sie.
„Ja, abgesehen von dem, der das Kaugummipapier hinter dir hier verloren hat.“ Zach richtete den Strahl seiner Taschenlampe darauf. „Juicy Fruit“, sagte er.
„Hey, ihr zwei.“ Daisy schaute sich die gerade gemachten Bilder an. „Seht euch das mal an.“ Sie drehte ihnen den kleinen Bildschirm zu.
„Nicht deine beste Arbeit“, bemerkte Sonnet.
„Nein, sieh mal den Hintergrund der Höhle.“ Der war auf dem Foto klar zu erkennen. Was gewirkt hatte wie ein unordentlicher Haufen Schutt, war in Wahrheit ein Stapel Steine in verschiedenen Größen und Formen.
Sonnet schnappte sich die Taschenlampe. „Wie verrückt ist das denn?“
„Sieh dir die Steine an“, sagte Daisy. Wenn jemand eine Wand baute, das wusste sie, hatte er einen Grund dafür. Entweder weil er etwas einsperren oder etwas aussperren wollte.
Sie hielt die Lampe, während Zach und Sonnet ein paar der Steine wegnahmen. „Das waren vermutlich nur ein paar gelangweilte Kids aus Camp Kioga“, sagte Sonnet.
„Wie gelangweilt muss man bitte sein, um einen Stapel Steine in einer Eishöhle aufzuschichten?“
Daisy rutschte mit der Taschenlampe näher und leuchtete über den Haufen hinweg. Ein kalter Luftwirbel – noch kälter als die Luft in der Höhle – strich über ihr Gesicht. Es erinnerte sie an den begehbaren Kühlschrank in der Bäckerei. Doch in diesem kalten Hauch lag ein leichter Geruch, der hier nicht hergehörte. Eine gewisse Muffigkeit.
„Schieb mich ein wenig hoch“, sagte sie zu Zach. „Ich glaube, ich sehe was.“
Er verschränkte seine Finger zur Räuberleiter. Sie stellte einen Fuß hinein und stieß sich gleich den Kopf an der Höhlendecke.
„Hey“, rief sie und blinzelte die Sterne vor ihren Augen weg. Dann richtete sie den Strahl der Taschenlampe hinter die Wand – und keuchte auf. Hier waren die Wände der Höhle definitiv mit Eis bedeckt. Die Kristalle glitzerten im Licht der Lampe. Und da lag etwas auf dem
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