Das Geheimnis meiner Mutter
College angenommen worden und wartete noch auf Nachricht über ein finanzielles Unterstützungspaket. Soweit Daisy es beurteilen konnte, war Sonnet jedermanns Traumtochter, die Art Kind, mit dem Eltern herrlich angeben und sich selber auf die Schulter klopfen konnten, während sie den Ruhm dafür einheimsten, wie gut es war.
Sonnet war die Tochter, die Daisys Mutter gerne gehabt hätte. Stattdessen hatte Daisys Mutter eine Tochter bekommen, die sich nicht für Schule oder College interessierte, die bis zum Abwinken Party machte und von einem Jungen schwanger geworden war, den sie nicht einmal leiden konnte.
„Schluss jetzt“, sagte Zach, als Daisy eine weitere Runde Fotos machte. „Du machst die Kamera noch kaputt.“
Daisy schoss ein Foto von seinem vorwurfsvollen Gesichtsausdruck.
„Seht ihr die Felsvorsprünge dort?“ Sonnet zeigte auf einige überhängende Klippen. „Meine Onkel haben mir erzählt, dass das Eishöhlen sind.“ Sonnet hatte sechs Onkel oder so, die aussahen wie Mitglieder der Sopranos . „Höhlen in den Berghängen, die mit Eis ausgekleidet sind. Ich habe darüber im Archiv der Bücherei gelesen, für ein Geschichtsprojekt letztes Jahr. Einige der Klippen in dieser Gegend haben Höhlen, deren Eis so dick ist, dass es niemals schmilzt, auch nicht im Sommer. Das ist ein Grund dafür, warum man die Stadt Avalon genannt hat.“
Daisy legte ihren Kopf zur Seite. „Okay, jetzt kapier ich nichts mehr.“
„Nach der Legende von König Artus“, sagte Zach. „Merlins Kristallhöhle. Avalon war der Ort, an den der Hohe König ging, nachdem er bei seiner letzten Schlacht tödlich verwundet worden war.“
„Das Referat habe ich wohl versäumt“, sagte Daisy. „Ich weiß nicht, warum ihr euch überhaupt mit mir abgebt. Ich bin so ein Dummkopf.“ Was irgendwie ironisch ist, dachte sie. Sie hatte die konkurrenzfähigste, exklusivste Schule Manhattans besucht, und diese beiden hier gingen auf eine öffentliche Feld-Wald-und-Wiesen-Schule. Dennoch schienen beide so viel klüger zu sein als sie.
„Du bist kein Dummkopf“, sagte Sonnet.
„Du hast ja keine Ahnung.“ Daisy wappnete sich innerlich. Es war an der Zeit. Sie musste es hinter sich bringen. Gleich hier, gleich jetzt. „Ich muss euch was sagen“, fing sie an und ließ die Worte schnell aus sich heraussprudeln, bevor sie einen Rückzieher machen konnte.
Die beiden schienen die Wichtigkeit in ihrer Stimme zu hören, denn beide schenkten ihr ihre volle Aufmerksamkeit. Sie zögerte, so wie an dem Tag, als sie es ihrem Dad erzählt hatte, und versuchte, sich den Blick einzuprägen, mit dem die beiden sie jetzt musterten. Denn sie würden ihre Sicht auf sie gleich ein für alle Mal verändern.
„Es ist, äh, also das ist eine ziemlich große Sache.“ Vorsichtig ließ sie die Kamera los und spürte deren Gewicht an dem Gurt in ihrem Nacken. „Ich bekomme ein Kind. Und zwar diesen Sommer.“
Die Worte fielen in eine so komplette Stille, als wären sie von einem Vakuum aus der Luft gesaugt worden. Daisy sah sie an, ihre einzigen Freunde in der Stadt, und hielt den Atem an. Sie weigerte sich, Luft zu holen, bis einer von beiden etwas gesagt, ihr versichert hatte, dass sie nicht aufhören würden, ihre Freunde zu sein. Einen Moment lang starrten die beiden sie nur an. Dann schlich sich eine leichte Röte in Zachs Wangen, und er sah unglaublich unbehaglich aus, so wie Max, als sie es ihm erzählt hatte. Sonnets Augenbrauen schossen nach oben und dann wieder herunter. „Hey, das ist wirklich eine große Sache.“
Daisy nickte. „Es ist nicht das Klügste, was ich je getan habe, aber es ist nun mal passiert. Ich wollte es erst, du weißt schon, beenden, aber in letzter Minute konnte ich das nicht. Tja, und da bin ich nun.“
Zach schien irgendetwas unendlich Faszinierendes in dem hohlen Stamm eines Baumes nahe der Brücke entdeckt zu haben. Er wollte ganz eindeutig nicht an dieser Unterhaltung teilnehmen.
Endlich sprach Sonnet wieder. Sie klang ein wenig aufgeregt. „Wow. Ich meine, wow. Das kommt echt unerwartet.“
„Was du nicht sagst“, erwiderte Daisy.
„Bist du darum von deiner alten Schule weg?“, wollte Sonnet wissen.
Daisy schüttelte den Kopf. „Da wusste ich es noch nicht. Oder war zumindest nicht sicher.“
„Wird der Vater des Babys dir helfen?“ Eine seltsame Anspannung wob sich in Sonnets Stimme. Daisy wusste, dass Sonnets Beziehung zu ihrem Vater schwierig war und dass sie unter der Geheimhaltung litt,
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