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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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hatte sie den Kamin nicht mehr benutzt.
    Granny war immer so kalt, und sie hatte stets behauptet, nur ein fröhliches Feuer könnte sie wärmen. „Ich habe sie immer wie eine Kolache eingewickelt.“ Jenny dachte laut daran, wie sie und Granny gekichert hatten, wenn Jenny eine Lage gehäkelter Decken nach der anderen um den zerbrechlichen Körper gewickelt hatte. „Aber sie hat trotzdem gezittert, und ich konnte nichts tun, damit sie damit aufhörte.“ Dann wurde ihr Kopf gegen Rourkes Schulter gezogen. Es tat weh zu atmen, die Anstrengung kratzte in ihren Lungen.
    Sie spürte ein verlegenes Tätscheln auf ihrem Rücken. Rourke hatte vermutlich nicht damit gerechnet, heute Morgen ein Bündel weiblicher Verzweiflung in seinen Armen zu finden. Die Gerüchte besagten, dass er genau wusste, was man mit einer Frau anzustellen hatte, aber sie nahm an, dass diese Gerüchte sich auf attraktive, willige Frauen bezogen. Denn das war die einzige Sorte, mit der er sich traf, sowie sie das beurteilen konnte. Nicht, dass sie Buch darüber führte, aber es war schwerlich zu übersehen. Öfter, als es ihr lieb war, sah sie ihn irgendeine langbeinige Gazelle zum Bahnhof bringen, damit sie den frühen Zug in die Stadt bekam.
    „… nach draußen gehen“, flüsterte Rourke ihr gerade ins Ohr. „Wir können das ein andermal zu Ende bringen.“
    „Nein.“ Sie richtete sich auf, riss sich zusammen und zwang sich zu einem tapferen Lächeln. Was war sie nur für ein Mensch, dass sie unter diesen Umständen solche Gedanken hatte? Sie boxte ihm spielerisch gegen den Oberarm, der aus Stein gemeißelt zu sein schien. „Hervorragende Schulter, um sich dran auszuweinen, Chief.“
    Er ging auf ihren etwas plumpen Versuch, die Stimmung aufzuheitern, ein. „Schützen und dienen. Steht genauso auf meiner Marke.“
    Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und wandte sich an den Brandinspektor. „Tut mir leid. Ich schätze, es war an der Zeit für einen kleinen Zusammenbruch.“
    „Das verstehe ich vollkommen, Miss. Der Verlust des Zuhauses ist ein schweres Trauma. Wir empfehlen Ihnen, deswegen so schnell wie möglich Kontakt zu einem Berater aufzunehmen.“ Er reichte ihr eine Visitenkarte. „Dr. Barrett in Kingston hat einen hervorragenden Ruf. Aber Hauptsache ist, dass Sie eine Weile lang erst einmal keine großen Entscheidungen treffen. Gehen Sie es ruhig an.“
    Sie steckte die Karte in die hintere Hosentasche. Es war erstaunlich, dass da überhaupt etwas hineinpasste, so eng, wie die Hose saß. Sie setzten den Rundgang fort, und irgendwie schaffte sie es, sich zusammenzureißen, als ihr nach und nach die Größe ihres Verlustes klar wurde. In weniger als einem Monat hatte sie ihre Granny und das Haus verloren, in dem sie seit ihrem ersten Lebenstag gewohnt hatte.
    Das offizielle Ergebnis der Ermittlungen stand zwar noch nicht fest, aber anhand der vorläufigen Untersuchungen stimmten der Brandermittler und sogar der mehr als misstrauische Schadenregulierer von der Versicherung überein, dass das Feuer in einer Abseite auf dem Dachboden ausgebrochen war. Der Spürhund hatte keine Anzeichen eines Brandbeschleunigers erspürt, und es gab auch keine sonstigen Merkmale für Brandstiftung oder grobe Fahrlässigkeit.
    „Und nun?“, fragte sie den Mann von der Versicherung am Ende des Rundgangs erschöpft. Sie fragte sich, ob sich so die Nachwirkungen einer Schlacht anfühlten. Sich durch die Überreste von etwas zu wühlen, das einst heil und ganz gewesen war, wo blühende Topfblumen gestanden und fröhliche Familienfotos gehangen hatten. Erinnerungen an die Meilensteine eines Lebens, Geschenke zu Geburtstagen und Weihnachtsfesten, einzigartige Andenken wie handgeschriebene Rezepte und alte Briefe.
    Der Schadenregulierer zeigte auf Jennys Computer, der inmitten eines Haufens verkohlter Sofareste lag, aus denen die Polsterung wie Eingeweide hervorquoll.
    „Ist das Ihr Laptop?“, fragte er.
    „Ja.“ Er war zugeklappt, die Oberfläche mit Blasen bedeckt.
    „Wir können einen Techniker daransetzen, um zu sehen, ob noch Daten zu retten sind. Die Festplatte könnte überlebt haben.“
    Das war unwahrscheinlich, aber möglich. Er sagte es nicht, aber sie konnte es ihm am Gesicht ablesen. Alle ihre Daten waren weg – ihre Word-Dateien, Finanzunterlagen, Fotoalben, Adressen, E-Mails, die Buchhaltung der Bäckerei. Ihr Buchprojekt. Sie hatte Sicherungskopien gezogen, sie aber in einer Schublade des Schreibtisches aufbewahrt, der nun nur

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