Das Geheimnis meiner Mutter
sorglos mit ihm umgehe.“ Die Verantwortung, einen anderen Menschen glücklich zu machen, ihr Leben mit ihm zu teilen, lastete schwer auf Jennys Schultern. Sie hatte keine Ahnung, ob sie das schaffen würde. Joey glaubte allerdings, dass sie es könnte. Er glaubte an sie.
Als Rourke vor Jennys Haus vorfuhr, sah er sie auf der Vorderveranda sitzen und etwas in eines ihrer spiralgebundenen Notizbücher schreiben. Sie arbeitete so konzentriert, dass sie gar nicht zu bemerken schien, wie er den Wagen am Bordstein abstellte und heraussprang, wobei er die Tür offen stehen ließ.
Sie schaute auf und sah ihn, und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, ungetrübte Freude in ihrem Blick zu erkennen. Dann klappte sie ihr Buch zu und stand auf. „Rourke, ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte sie.
Er stand am Fuße der Verandatreppe und schaute sie an. Endlich löste sich die Enge in seiner Brust. Ihre Frage war irgendwie lustig, denn den ganzen Sommer über war etwas nicht in Ordnung gewesen, und endlich hatte er herausgefunden, wie er es richten konnte. Es war so einfach, wirklich. Er war verliebt in dieses wunderschöne braunäugige Mädchen, das er kannte, seitdem sie Kinder gewesen waren. Sicher, es war kompliziert, weil Jenny mit Joey ausging, aber das war jetzt vorbei. Joey hatte die Stadt mit dem Morgenzug verlassen.
Rourke war durch die Hölle gegangen in dem Versuch, sich einzureden, seine Gefühle für sie hätten mit Liebe nichts zu tun. Doch damit war er jetzt durch. Er sprang die paar Stufen hinauf und nahm Jennys Hand. „Ich bin hier, weil ich etwas mit dir besprechen will“, sagte er. Seine Stimme klang zu tief und zu rau. Er räusperte sich. „Das ist ziemlich wichtig.“ Und bei Gott, er hoffte, dass sie das genauso empfand. „Ich wollte dir sagen, dass ich …“
Das Pfeifen eines vorbeifahrenden Zuges erklang und übertönte seine folgenden Worte. Am Ende der Straße flackerte ein rotes Blinklicht auf, als die Schranken sich langsam schlossen. Ein Auto in Richtung Stadt gab noch einmal Gas in dem Versuch, die Schienen zu überqueren, bevor der Zug ankam. Rourke spannte sich an, als die Schranken sich senkten und beinahe auf die Motorhaube des Wagens geschlagen wären. Idiot, dachte er. Seine Eile hätte ihn umbringen können.
Der Moment ging vorbei, und Rourke schaute Jenny wieder an. „Tut mir leid, was ich sagen wollte, ist …“
„Ich muss dir auch was sagen“, unterbrach sie ihn und entzog ihm sehr vorsichtig ihre Hand.
Erst jetzt fiel Rourke auf, dass ihre Finger eiskalt gewesen waren – an einem der heißesten Tage des Jahres. Sie schluckte und zuckte dabei zusammen, als wenn die Anstrengung ihr Schmerzen bereitete. Ihre Augen schwammen in Tränen. „Joey ist vor einer Weile abgefahren.“
Rourke nickte. Sie hatten sich am Vorabend voneinander verabschiedet. Die Stimmung zwischen ihnen war diesen Sommer ein wenig angespannt gewesen, aber sie waren ihr ganzes Leben lang die besten Freunde gewesen. Er hoffte, Joey würde ihm vergeben, dass er sich an sein Mädchen heranmachte.
„Vielleicht hat er es dir schon erzählt …“, sagte Jenny.
„Mir was erzählt?“
„Er und ich … Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten.“
Super, dachte Rourke. Einfach perfekt. Das musste wohl ein kosmischer Witz sein.
Sie drehte das dünne Goldband wieder und wieder um ihren Finger. „Wie auch immer, ich dachte …“ Ihre Stimme verebbte zu einem unsicheren Flüstern.
Sie machte wirklich keine Witze. Rourke zwang sich, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte. Sie würde Joey heiraten. Sie würde die Frau seines besten Freundes werden. Er wurde innerlich zu Stein, denn er wollte nichts mehr fühlen – keinen Schmerz, keine Enttäuschung, keine Wut. „Das ist gut“, sagte er mit gleichmütiger Stimme. „Glückwunsch.“
Sie nickte. In ihren Augen glitzerten immer noch Tränen. „Danke. Äh, du wolltest über irgendetwas mit mir reden?“
Er stieß ein leises Lachen aus, dann dachte er, danke, Gott. Dankte dafür, dass er nicht das gesagt hatte, was er hatte sagen wollen. Das wäre das Einzige gewesen, was diesen Augenblick noch schlimmer gemacht hätte.
ESSEN FÜR DIE SEELE
von Jenny Majesky
BITTERSÜSSE TRÄUME
Eileen war jahrelang eine regelmäßige Kundin der Bäckerei. Sie liebte Schokolade mehr als jeder andere Gast, den wir kennen. Richtig verwendet hat Schokolade magische Fähigkeiten. Sie ist eine angemessene Zutat für Tage, an denen man das Gefühl hat, die ganze
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