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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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würde er in eine Leere fallen. Eine alles umfassende Leere, aus der es kein Entrinnen geben würde. Kein Entrinnen geben konnte, weil nichts mehr zu tun blieb. Es sei denn, so überlegte er nun, da er die Ampelanlage zum Goldbergweg erreichte, ich murkse den Vollidioten vom TÜV auch noch ab. Der war nämlich irgendwie auch verantwortlich. Schließlich wurde beim allerletzten von ihm angestrebten Prozeß ein Gutachten vorgelegt, in dem es hieß, ein vom TÜV und der kurz zuvor konsultierten Taxiwerkstatt übersehener Defekt am Seil der Handbremse sei der Grund dafür gewesen, daß sich das Taxi von selbst in Bewegung gesetzt hatte. Aber zur Verantwortung gezogen wurde keiner. Geringfügig war das Wort, das seitdem in seinem Kopf herumgeisterte. Geringfügig das Vergehen. Geringfügig das Leben seiner Tochter. Ebenso geringfügig wie das seiner Frau und sein eigenes von jenem Zeitpunkt an. Und wenn er es recht bedachte, so hatten sie allesamt recht. Das menschliche Leben als solches war nichts anderes als geringfügig. Unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit sowieso.
    Und wie der wortgewandte Schriftsteller Bernhard Schlink dereinst so schlau bemerkte: Morden heißt, nicht verzeihen müssen. Verziehen hatte er nicht. Deprimiert wie ein Selbstmörder schlich der Mörder die Treppen hoch. Keine Frage, die Voraussetzungen für ein weiteres Tötungsdelikt waren denkbar ungünstig. Woher soll ich bloß die ganze Kraft nehmen, fragte er sich, während er sich die Schuhe auszog.
    Dann rollte er sich ins Bett und starrte die Decke an. Stundenlang.
    – Ende der Rückblende –
    Im Abstand von nur wenigen Sekunden erreichten Elly und Herr Schweitzer die Redaktionsräume des Sachsehäuser Käsblättches in der Wallstraße.
    Wie alle Gewohnheitstiere wollte der Gelegenheitsdetektiv spornstreichs wieder umkehren, weil das sich ihm bietende Bild so gar nicht seinem Bild entsprach. Selbst die Begrüßungsformel erstarb auf seiner Zunge. Überall blitzte und blankte es, daß es eine wahre Pracht war. Lediglich auf dem Schreibtisch lagen ein paar Papiere ungeordnet herum. Der Geruch frischer Farbe lag in der Luft. Auf der Fensterbank reckten sich rote, gelbe und blaue Blumen der Sonne entgegen. Der alte durchgetretene Linoleumboden war schneeweißen Fliesen gewichen.
    „Was ist denn hier los?“ entfuhr es dem sichtbar geschockten Herrn Schweitzer.
    „Was soll schon los sein? Sicherlich wolltest du mich gerade deiner aparten Begleitung vorstellen.“ Felix Melibocus strahlte übers ganze Gesicht und erhob sich. „Ach, ich sehe schon, der gute alte Simon ist mal wieder neben de Kapp. Na gut, dann mache ich es halt selber.“
    Stolz wie ein Pfau erhob sich der Herausgeber, strich sich seinen noblen Anzug glatt und schlenderte galant auf Elly zu. „Felix Melibocus. Einen schönen guten Abend. Mit wem habe ich die Ehre?“
    „Äh, ich, das ist …“, radebrechte Herr Schweitzer. Er wähnte sich im falschen Film.
    „Elisabeth McGuire. Freunde nennen mich Elly. Nett haben Sie es hier.“
    „Felix. Du kannst Felix zu mir sagen.“
    „Gut. Felix. Sag mal, was hat Simon denn? Er ist plötzlich … so anders.“
    Amüsiert betrachtete der Herausgeber seinen alten Freund, der so deplaziert wirkte, als habe er gerade ein Schuhgeschäft betreten wollen, sei statt dessen aber versehentlich in einem Swingerclub gelandet. „Ich schätze mal, Simon ist gerade dabei, die Nerven zu verlieren.“
    „Nerven verlieren ist gut“, fand Herr Schweitzer seine Sprache wieder. „Mir hat gerade jemand heimtückisch eine Überdosis Heroin injiziert. Nichts ahnend trat ich kürzlich durch eine Tür, hinter der sich über viele Jahre sämtliche Staubflusen Sachsenhausens versammelt hatten, und nur Adleraugen das diffuse Licht durchdringen konnten. Und wo lande ich? Hä? Sag’s mir bitte. Wo?“ Er konnte nichts anders. Seine Hände mußten den Anzug berühren, der so edel schimmerte. „Seide?“
    „Aber selbstverständlich, der Herr. Sag bloß, du hast etwas anderes erwartet?“
    Herr Schweitzer kniff ein Auge zu, auf daß sein anderes an Sehschärfe gewinne. „Kann mir mal jemand ein Brett verpassen? Und den Notarzt anrufen? Der Trip ist so absurd, daß jederzeit mit meinem Ableben zu rechnen ist.“
    „Na, na, Simon. Jetzt mach mal halblang. So schnell stirbt keiner.“ Mit einer majestätischen Handbewegung deutete Melibocus zu einer nach Leder duftenden Sitzgruppe. „Wollen wir uns nicht setzen? Was wollt ihr trinken? Latte macchiato, Espresso,

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