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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Yogi-Tee?“
    Auch wenn Herr Schweitzer momentan keinen Alkohol trank, gerade jetzt hätte er einen Schoppen vertragen können. Passé die Zeiten, als ihm Felix unaufgefordert ein Glas Ebbelwei einschenkte. Oder ein Bier, wenn das Sachsenhäuser Nationalgetränk gerade vergriffen war. Und manchmal hatte es auch Schnaps gegeben. Aber heute? Latte macchiato? Was hatte er, Herr Schweitzer, verpaßt? Während er noch darüber nachdachte, hatte sich Elly bereits gesetzt. Es war Notwehr, nichts als Notwehr: „Für mich bitte einen Yogi-Tee.“
    „Für mich auch, bitte“, flötete Elly.
    „Das trifft sich ausgezeichnet. Ich habe gerade eine Kanne fertig.“ Der Herausgeber sah auf seine Armbanduhr. „Muß noch vierzig Sekunden ziehen. Simon, hol bitte schon mal die Tassen. Sie stehen im Schränkchen hinter dir.“
    Herr Schweitzer gehorchte aufs Wort. Das war immer noch das beste in Situationen wie diesen. Zeit gewinnen, hieß es dann. Zeit, die man brauchte, um Gegenmaßnahmen zu durchdenken und gegebenenfalls zu ergreifen. Und selbst die Initiative in die Hand nehmen. Den Feind nicht zur Ruhe kommen lassen, ihn beschäftigen, ihm zu denken geben. „Okay, Felix. Jetzt erzähl schon. Du hast im Lotto gewonnen?!“
    „So ähnlich.“ Melibocus schenkte den Tee ein.
    „Du hast geerbt?“
    „Das auch.“
    „Was noch?“
    „Ich habe mir meine Lebensversicherung auszahlen lassen. So konnte es ja unmöglich weitergehen.“
    Aha, dachte Herr Schweitzer, so langsam nähern wir uns einer gemeinsamen Ebene. „Und da hast du dir dann gedacht, weil es so ja nicht weitergehen konnte, dein Leben von Grund auf zu ändern.“
    Nach einer kurzen Pause, in der er das neue Ambiente auf sich wirken ließ: „Respekt. Hier läßt es sich bestimmt prima arbeiten.“
    „Viel besser als vorher“, bestätigte Melibocus. „Zum Schluß hab ich hier ja nicht einmal mehr meine Kugelschreiber finden können. Vom Aktenkeller ganz zu schweigen.“
    „Ah, gut, daß du drauf zu sprechen kommst. Deswegen sind wir nämlich hier. Elly und ich. Ich nehme an, die Akten stehen jetzt fein säuberlich geordnet in nagelneuen Regalwänden aus edlem Tropenholz.“
    „Jetzt übertreibst du aber. Neue Regale: ja. Aus Tropenholz: nein. Geordnet: fast. Susi ist gerade dabei. Sie wird wohl noch mindestens eine Woche brauchen.“
    „Susi?“
    „Susanne. Eines Tages kam sie hereinspaziert und fragte nach einem Job als Journalistin. Du weißt, Simon, ich habe fast immer alles alleine gemacht. Mehr im Scherz habe ich dann zu ihr gesagt, sie könne sofort anfangen, wenn sie bereit sei, hier alles auf Vordermann zu bringen. Eigentlich habe ich damit gemeint, mal kurz abzustauben und vielleicht zwei, drei freie Quadratmeter zu schaffen, um überhaupt wieder arbeiten zu können. Aber wie Frauen halt so sind …“
    „Mit den Blümchen auf der Fensterbank hat’s angefangen und dann ging das immer so weiter“, mutmaßte Herr Schweitzer.
    Melibocus sah zu Elly. „Genau so war’s. Elly, du weißt sicher, unser Simon ist Sachsenhausens kompetentester Privatschnüffler. Oder hat er dir das vorenthalten, bescheiden wie er ist?“
    „Ich hab davon gehört. In Sachsenhausen wird anscheinend viel geredet.“
    „Gebabbelt. Wir babbeln hier. Neunundneunzig Prozent davon kannste aber gleich wieder auf dem Scheiterhaufen des überbordenden Schwachsinns verbrennen.“
    So langsam wurde Herr Schweitzer ungeduldig. „Weswegen wir eigentlich hier sind …“
    „Genau“, unterstützte ihn Elly. „Dein Archiv. Wir wollen etwas über einen Unfall wissen, der sich am Kuhhirtenturm ereignete. Vor ziemlich genau zwanzig Jahren.“
    Felix Melibocus grinste wie ein Breitmaulfrosch.
    „Was grinst du wie ein Breitmaulfrosch?“ fragte daraufhin Herr Schweitzer.
    Der Herausgeber machte es sich in seinem Sessel bequem. Die Arme hielt er gekreuzt vor der Brust. Er strahlte Zufriedenheit aus.
    „Ach, fragt nur. Das Archiv sitzt vor euch.“
    „Hä?“ fragte nun der Aushilfsdetektiv in typisch Frankfurterischer Ausführlichkeit.
    Melibocus sah seinen großen Auftritt kommen. Wie alle Männer seines Alters hatte er gravierende Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis. Und war es einmal anders, mündete es fast zwangsläufig in maßlose Auftrumpferei: „Den Artikel habe ich damals selbst geschrieben.“
    Elly und Herr Schweitzer harrten der Dinge, die da noch kommen wollten. Bislang jedenfalls hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen.
    Trotz des fehlenden Applauses fuhr Melibocus fort:

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