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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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nicht unbedingt als leuchtendes Vorbild für die Jugend taugt. Und dennoch war sich Herr Schweitzer darüber im klaren, daß es auch Lebensformen abseits der seinigen gab und geben mußte. Denn seine Art, das Dasein auf Erden zu gestalten, auch das wußte er, würde zwangsläufig zum Zusammenbruch aller Wirtschaftsaktivitäten der Bundesrepublik führen. Und zwar ruckzuck und eher heute als morgen.
    „Okay, okay. Mischa, ich hab’s kapiert. Der Esterházy war’s nicht. Sehen wir uns heute abend?“
    „Weiß nicht“, knurrte der Oberkommissar. „Kommt drauf an, wann der Affentanz hier vorbei ist.“
    „Gut. Tschö.“
    „Tschö.“
    Und wieder einmal war Herr Schweitzer mit seiner Theorie ganz alleine. Er kannte das. Als Querdenker mußte man damit leben. Er ging in den Flur und holte das Telefonbuch. Wenig später hatte er die Adresse vom Karel Esterházy aus Oberrad wieder im Gedächtnis.
    Wie sich im Nachhinein herausstellte, war seine Idee, mit dem Auto zu fahren, nachgerade pfiffig, denn der Goldbergweg bot fast gar keine Verstecke, die eine herkömmliche Observation erlaubt hätten. Kein unbebautes Grundstück, keine Baumgruppe, nichts.
    So saß Herr Schweitzer in seinem weißen Twingo, den er sich vor anderthalb Jahren kurz nach dem Erwerb des Führerscheins zugelegt hatte. Natürlich war der Twingo ein paar Nummern zu klein für ihn. Da er ihn aber sowieso nur selten benutzte, für längere Strecken schon mal gar nicht, war es ein Fahrzeug ganz nach seinem Geschmack, zumal das Einparken nicht gerade zu seinen Spezialdisziplinen gehörte. Die Parklücke im Goldbergweg war groß genug für einen LKW mit Anhänger. Herr Schweitzer hatte nur drei Mal vor- und zurückstoßen müssen, bis der Twingo nahe genug am Bürgersteig stand und den spärlich fließenden Verkehr nicht mehr behinderte.
    Er nahm an, daß er hinter der sich nach außen spiegelnden Scheibe der Fahrertür nur schwer auszumachen war. Wegen der knalligen Hitze hatte er das Beifahrerfenster sowie das Schiebedach aufgekurbelt. Das Haus, in dem Esterházy wohnte, lag von ihm aus gesehen schräg links auf der anderen Straßenseite. Die Sicht war optimal. Frankfurter Rundschau und National Geographic steckten griffbereit im Seitenfach. Ein kleines Opernglas lag im Handschuhfach. Herr Schweitzer war gut vorbereitet und auf längere Wartezeiten eingestellt. Auch an das Foto vom Melibocus und das Phantombild hatte er gedacht. Im Prinzip konnte also nichts mehr schiefgehen.
    Die Zeit floß träge wie der Honig im gelobten Land. Herr Schweitzer wartete und guckte und wartete und guckte und bekam alsbald großen Hunger. Tragisch war das nicht, denn viel Erfolg von der Observation versprach er sich ohnehin nicht. Es war vielmehr so, was er sich auch eingestand, daß er wieder mal die Krumen auflas, die andere liegenließen, weil sie mit ihnen nichts anzufangen wußten. So wie die Müllsammler in Buenos Aires oder sonstwo auf der Welt.
    Er nahm’s mit Humor und redete mit seinem Bauch: „Du, ich kenne hier ein Lokal, wo’s lecker Freßchen gibt. Wollen wir da mal hin?“
    Der Vorgesetzte hatte gesprochen, dem Bauch blieb nichts anderes als bedingungsloser Gehorsam. Herr Schweitzer stieg aus, denn er wollte den idealen Parkplatz nicht gefährden. Er ging die Mathildenstraße zur Offenbacher runter. Sein angepeiltes Ziel war die Gaststätte Zum Hirsch, eine Lokalität mit Tradition.
    Durchgehend warme Küche von 11 bis 22 Uhr, las er kurze Zeit später. Na also, geht doch, das Leben ist gar nicht so hart, wie so manches Weichei postuliert.
    Die Portion war eines Kerls wie ihm würdig gewesen. Groß und schmackhaft wie es Herr Schweitzer am liebsten hatte. Zurück nahm er ein Taxi, man gönnte sich ja sonst nichts. Dem Fahrer hatte er vorab einen Zehn-Euro-Schein in die Hand gedrückt, um ihm gleich mal den Wind aus den Segeln zu nehmen, von wegen Kurzfahrt und so.
    Er saß wieder im Twingo. Der Sauerstoff wurde vom Magen beansprucht. Nur etwa fünf Minuten hielt seine Konzentration an, dann wurde er heimtückisch von einem Nickerchen übermannt.
    Karel Esterházy war kurz vorm Durchdrehen und merkte es auch. Schon längst hatte er aufgehört, die Tage zu zählen. Er mußte raus.
    Vor zwei Tagen hatte er sich sämtliche Kopfhaare abrasiert. Als er sich jetzt so im Spiegel sah, dachte er, einem Mönch gegenüberzustehen. Ich sollte irgendwo in Asien in ein Kloster gehen, überlegte Karel Esterházy, wer weiß, vielleicht würde man dort meiner

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