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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Orientierungslosigkeit etwas entgegenzusetzen haben. Meinem Leben neuen Sinn einhauchen wäre genau das, was ich jetzt brauche.
    Doch zuvor galt es, ein anderes Problem zu lösen. Seine Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen Menschen war nahezu verschwunden. Viel geredet hatte er die letzten zwanzig Jahre zwar nicht, aber zur Verrichtung lebensnotwendiger Dinge wie Einkaufen und Behördengänge hatte es immerhin noch gereicht. Probehalber sprach er zu seinem Spiegelbild: „Ich hätte gerne zweihundert Gramm ungarische Salami, einen Fleischsalat und sechs Scheiben von dem Schinken dort.“ Esterházy erschrak ein wenig ob der ihm fremd gewordenen Stimme.
    Seine Sprechübungen beendete er erst, als er sich an die seinem Munde entströmenden Laute gewöhnt hatte. Gerne wäre er auch in ein Restaurant gegangen, aber das traute er sich noch nicht zu. Was, wenn sich Fremde zu ihm an den Tisch setzten und aus reiner Höflichkeit versuchten, ihm ein Gespräch aufzuzwingen? Am besten wäre folglich ein Kloster mit Redeverbot. Dort würde er sich wohlfühlen. Doch bis es soweit war, kam er um das Reden nicht herum. Oder sollte er im Reisebüro so tun, als sei er stumm?
    Esterházy schnappte sich die Einkaufstasche und ging. Staksig, als hätte er Glasknochen, bewältigte er die Stufen. Daß er keinem Nachbarn begegnete, freute ihn. Vor der Haustür atmete er kräftig durch.
    Zu seiner Überraschung hatte er nichts verlernt. Beim Metzger bekam er, was er wollte, und auch beim Discounter ging alles glatt über die Bühne. Lediglich am Bankautomaten hatte er beim ersten Versuch einen Zahlendreher, den er aber korrigierte. Esterházy hob gleich tausend Euro auf einmal ab. Im Hinterkopf hatte er nämlich noch immer die Idee mit dem fernen Kloster. Und vielleicht wäre er ja auch morgen schon in der Lage, ein Reisebüro zu betreten. Wenn, dann würde das Geld reichen. Nein danke, ein Rückflugticket brauche ich nicht.
    Das Schläfchen hatte ihm gutgetan. Als Herr Schweitzer erwachte, war er wieder fit wie ein Turnschuh. Sein erster Blick, nachdem er sich die Augen gerieben hatte, galt dem Haus, in dem Esterházy wohnte und dessen Vorgarten eine etwa vier Meter hohe Edeltanne schmückte. Hübsch anzuschauen war auch das gelbe Tulpenbeet direkt hinter dem schmiedeeisernen Gartenzaun. Ein kleiner Springbrunnen mit einem zyklisch spuckenden Frosch auf der Spitze plätscherte fröhlich vor sich hin.
    Herr Schweitzer dachte sich nichts dabei, als ein Glatzkopf mit Einkaufstaschen seinen Twingo an der Beifahrerseite passierte. Auch als er wenige Meter vor ihm die Straße überquerte, war das noch lange kein Grund zur Aufregung. Seine Gleichgültigkeit verflog erst, als der Mann ohne Haupthaar besagtes Haus ansteuerte. Der Amateurdetektiv erfaßte die Lage sofort und griff sich das Opernglas. Sein Interesse war geweckt. Auch wenn Herr Schweitzer den Typ auf höchstens fünfzig schätzte – Esterházy kam demzufolge nicht in Frage, der war ja bedeutend älter –, so konnte mitnichten ausgeschlossen werden, daß der kahlköpfige Herr eventuell ein Gehilfe war, der den brutalen Killer mit Essen und Getränken versorgte.
    Bedauerlicherweise drehte sich der Mann nicht mehr zu ihm um. Durch sein Opernglas konnte Herr Schweitzer ihn nur im Profil betrachten, bevor die Haustür ins Schloß fiel.
    Akribie war grundsätzlich nichts, was man ihm nachsagen konnte. Eine Ausnahme war allerdings Herrn Schweitzers Detektiverei. Hierbei ließ er oft eine Sorgfalt walten, die ihm im restlichen Leben fehlte. Nach abermaligem Intensivstudium des Phantombilds kam er zu dem Ergebnis, daß da vielleicht doch eine gewisse Ähnlichkeit nicht auszuschließen war. Und falls seine Theorie mit dem Extremsport zutraf, wer weiß, vielleicht war das eben tatsächlich der Esterházy. Allein, er glaubte es selbst nicht.
    Blöd nur, daß Herr Schweitzer nicht eruieren konnte, welche Wohnungstür der Glatzkopf öffnete. Wäre es Nacht und Licht würde in einer der Wohnungen angehen, wäre die Sache klar. Aber so?! Das brachte ihn darauf, daß er noch gar nicht am Klingelbrett war. Mann, was bin ich bescheuert, dachte er nun und schlug sich auf die Stirn, das hätte ich doch längst tun müssen. Was, wenn der Esterházy gar nicht mehr hier wohnte? Telefonbücher wurden schließlich nicht täglich aktualisiert und neu aufgelegt. Außerdem hätte ich die angegebene Telefonnummer von zu Hause aus mal ausprobieren können, womöglich hätte ich mir die ganze Aktion hier

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