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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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    So viel zu Herrn Schweitzers Akribie.
    Er wollte gerade aussteigen, um seinen Fehler zu tilgen, schließlich stand hier sein solider Ruf auf dem Spiel, als ein Ereignis der perversen Art ihn fast umhaute. Im Nu war seine Atmung im Generalstreik und wildgewordenes Adrenalin flitzte im Zickzack durch den Körper. Herrn Schweitzers Gesichtsfarbe spottete jeder Beschreibung. Er japste nach Luft und seine Augen leuchteten wie bei einem Heroinflash. Das kann nicht sein, das darf nicht sein, das ist nicht so. Verfluchte Scheiße, ich muß weg von hier. Und zwar schnell, schneller, am schnellsten.
    Was war passiert?
    Unglaubliches war passiert.
    Eigentlich sogar Unmögliches.
    Andererseits, irgendwo mußte er ja wohnen.
    Denn irgendwo wohnt jeder.
    Manchmal, wenn das Leben es nicht gut mit einem meinte, auch unter der Brücke oder in der Gosse.
    Herr Schweitzer hatte ihn sofort erkannt.
    Er hätte ihn auch erkannt, wenn er im bunten Baströckchen und mit einem Kopfschmuck aus Indianerfedern auf ihn zugekommen wäre.
    Wir sehen uns noch.
    Nie und nimmer hatte er damit gerechnet, daß es zutreffen könnte.
    Frankfurt ist doch eine Großstadt.
    Anscheinend aber nicht groß genug.
    This town ain’t big enough for both of us. The Sparks.
    Wer?
    Na klar, der Hüne aus der Alten Oper.
    Bisher hatte er ihn nicht stehen sehen, weil er bei seiner Flucht aus dem Mozartsaal die Augen auf den Boden gerichtet hatte. Er maß zwei Meter, aber locker vom Hocker. Für Herrn Schweitzer waren es drei fünfzig.
    Der Hüne war aus dem Haus mit der schon etwas verwitterten Fassade direkt neben seinem Twingo gekommen und hatte eine Sporttasche geschultert. Die Vermutung lag nahe, er sei auf dem Weg ins Boxtraining und wolle danach zum Ausklang noch ein bißchen mit 200-Kilo-Hanteln spielen.
    In den lebhaftesten Farben malte sich Herr Schweitzer aus, was wohl geschehen mochte, wenn er jetzt erkannt wurde. Und was er sich ausmalte, wäre auf jedem weltweit existierenden Index gelandet, kein noch so begnadeter Regisseur von Horrorfilmen hätte sich so etwas ausdenken können. Herr Schweitzer sah sich schon auf die Größe einer Streichholzschachtel verarbeitet.
    Noch blieben ihm etwa fünf Sekunden Zeit auszubüxen. Mit irre flatternder Hand ergriff er den im Zündschloß steckenden Schlüssel. Oh Herr, steh mir bei, ich bin doch noch so jung!
    Herrn Schweitzer wurde sogar noch eine Galgenfrist eingeräumt, denn der Hüne öffnete seinen Briefkasten neben der Bio-Tonne und studierte die eingegangenen Postsendungen.
    Jetzt aber! Er drehte den Schlüssel und gab Gas.
    Autofahrer können ein Lied davon singen: Es nutzt überhaupt nichts, den Schlüssel zu drehen und Gas zu geben, wenn zur selben Zeit der erste Gang eingekuppelt ist und man vergißt, die Kupplung zu treten. Dann macht nämlich das Auto einen Satz nach vorne und der Motor ist abgewürgt.
    Herrn Schweitzer kam zugute, daß die Parklücke für einen LKW hätte bestimmt sein können. So hatte er genügend Spielraum.
    Zweiter Versuch. Selbes Spiel. So langsam wurde das Glück knapp.
    Der Dilettantismus dort vorne auf dem Asphalt blieb auch dem Hünen nicht verborgen. Seine Kontoauszüge waren plötzlich unwichtig geworden. Mit unverhohlenem Interesse blickte er zum weißen Twingo. Als Macho, der er war, nahm er an, eine Frau sitze am Steuer. Oder ein Offenbacher. Das Nummernschild wurde aber von dem niedrigen, das Grundstück begrenzenden Mäuerchen verdeckt.
    Er wollte gerade seine Hilfe anbieten – falls eine Frau am Lenker saß (einen Offenbacher hätte er sich selbst überlassen) –, als der Wagen mit aufheulendem Motor davonbrauste.
    Das Glück, das eben noch knapp war, hatte sich wieder zu Herrn Schweitzer gesellt. Aus keiner der vorfahrtsberechtigten Seitenstraßen kam ein anderer Verkehrsteilnehmer gebogen.
    Drei Minuten und zweiundvierzig Sekunden später stand der Twingo auf dem Hof eines konkursgegangenen Bauunternehmers zwischen Oberrad und Sachsenhausen. Der Motor lief noch und die Handbremse war angezogen. Herrn Schweitzers Kopf lag auf dem Lenkrad. Er sah aus wie tot, lebte aber noch.
    Karel Esterházy hatte die Szene durch die Gardine beobachtet. Der potentielle Bruchpilot im weißen Twingo war auch so einer, dem er am liebsten den Garaus gemacht hätte. Dem Fahrlehrer obendrein. Nur allzu gut konnte er sich ausmalen, was alles passiert wäre, wenn gerade ein Mensch die Straße hätte überqueren wollen. Er fragte sich, ob Führerscheine heute per

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