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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Losentscheid verteilt wurden, formte die Hand zur Pistole und jagte dem Twingo ein paar imaginäre blaue Bohnen hinterher.
    Vorhin, als er beim Einkaufen an dem schnarchenden Kerl vorbeigelaufen war, war ihm kurz der Gedanken gekommen, hier mit einem ihn observierenden Kripobeamten konfrontiert zu sein. Daß ein Beamter im Dienst schlief, sprach dafür, sein Leibesumfang dagegen. Übergewichtige Staatsdiener waren meist zum Bürodienst verdonnert. Das wäre ja noch schöner! Rollende Kugelblitze auf Verbrecherjagd! Auch wenn der Staatsapparat mehr und mehr auf seine dekadenzbedingte Selbstzerstörung zusteuerte, so weit war es dann noch nicht. Noch nicht.
    Hatte Esterházy vor einer Woche noch mehrmals täglich eine Verhaftung seiner Person befürchtet und war deswegen ständig zum Fenster gerannt, so hatte sich seine Paranoia spätestens nach seiner störungsfrei verlaufenen Einkaufstour fast schon verflüchtigt. Nur sporadisch gedachte er noch der Gefahr, in der er schwebte.
    Seine Persönlichkeitsstruktur hatte sich inzwischen wieder so weit gefestigt, daß seine vage Idee einer Fernreise die Metamorphose zu einem obsessiven Verlangen durchlaufen hatte. Esterházy wollte raus hier. Seine nur rudimentären Fremdsprachenkenntnisse dürften kein Hinderungsgrund sein, ein paar Brocken Schulenglisch beherrschte er noch. Verhungern würde er also nicht und nirgendwo. Aber es sollte ein großes Land sein. Ein Land, in dem man untertauchen konnte und von niemandem behelligt wurde. Leute, die einen in Ruhe ließen und nicht ständig fragten, woher man kam und was man vorhatte. Weit weg und keine hohen Lebenshaltungskosten, das wäre ideal.
    Brasilien? Indonesien? Äthiopien? Esterházy wußte nicht viel über diese Länder, aber das nette Fräulein aus dem Reisebüro würde ihn schon professionell beraten. Dafür war sie schließlich da.
    Morgen. Genau! Ab morgen würde er ein neues Leben beginnen, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wohin seine Reise ging? Wer weiß? Die Wege des Herrn sind unergründlich.
    Eine Hitzewelle jagte die nächste und ein Ende schien nicht in Sicht. Übellaunig und genervt von seiner Pechsträhne entstieg Herr Schweitzer dem Twingo. Wie ein Erdmännchen beobachtete er die nahe Offenbacher Landstraße, darauf vorbereitet, der Hüne komme mit der unehrenhaften Absicht des Weges, ihn zu Kleinholz zu verarbeiten.
    Vielleicht sollte ich einen Lottoschein ausfüllen, überlegte er. Bei all dem Pech, das mir die letzten beiden Tage widerfahren ist, müßte zum Ausgleich ein Sechser mit Zusatzzahl her.
    Damit lag Herr Schweitzer aber entschieden daneben. Wäre seine Analyse nämlich korrekt gewesen, hätte er zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ohne seinen fulminanten Gastauftritt in der Alten Oper der Hüne lediglich ein anderer Konzertbesucher gewesen wäre, den er im Goldbergweg nicht wiedererkannt hätte und vor dem er vor allem keine Angst zu haben brauchte. Das eine hing also unmittelbar mit dem anderen zusammen. Fachleute nennen das Kausalitätskette. Aber wir wollen hier nicht kleinlich sein, in einer Woche kräht sowieso kein Hahn mehr danach.
    Er hatte Durst. Autofahren ging aber nicht, noch waren seine Knie zu weich. Unsicheren Schrittes schlug Herr Schweitzer den Weg zur Tankstelle am Mühlberg ein.
    Fünfzig Meter hatte er zurückgelegt, da bemerkte er das Fehlen des Autoschlüssels. Er machte kehrt.
    Nicht nur, daß der Schlüssel noch steckte, oh nein, auch der Motor lief noch. Was bin ich bloß für ein Dabbes, schimpfte er mit sich, wenn das so weitergeht, laufe ich demnächst noch vor einen fahrenden Zug.
    Der dergestalt von sich selbst gescholtene Herr Schweitzer machte die nächsten zweieinhalb Stunden alles richtig. Den Verschluß der Colaflasche drehte er nach links und kam so an die prickelnd frische Flüssigkeit. Den Weg zurück zum Auto fand er auf Anhieb. Bei der Ausfahrt aus dem Grundstück sah er die Straßenbahn rechtzeitig. Selbst das Rot dreier Verkehrsampeln interpretierte er der Straßenverkehrsordnung gemäß als Aufforderung, so lange zu warten, bis das Rot einem kräftigen Gelb gewichen war. Die Hängematte in Marias Atriumgärtchen bestieg er zwar ungelenk, aber unfallfrei. Lediglich mit dem Schlaf haperte es, da er ja schon im Goldbergweg vorgesorgt hatte. Aber Herr Schweitzer war flexibel genug, sich mit einem profanen Vorsichhindösen zufriedenzugeben.
    Pepsi sprang auf seinen Bauch, Maria war absent. Die blöde Fliege, die ihm anfangs auf der Nase

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