Das Geheimnis von Digmore Park
gebracht war.
„Es ist ein Mann von Sir Thomas Streighton, der vor der Tür Wache steht, Mylord. Ihn von dieser Aufgabe abzubringen liegt außerhalb meiner Macht. Seine Lordschaft hat im Übrigen angeordnet, dass alle anderen Burschen, die das Anwesen belagern, unverzüglich nach Hause zurückkehren müssen.“
Ganz so, als ahnte er nichts von dem heranbrausenden Protest, ging er zum Tisch hinüber und rückte ein ovales Silbertablett in Lady Portlands Nähe. „Versuchen Sie doch etwas von diesem köstlichen Mandelkuchen, Mylady, er ist die Spezialität unserer Köchin.“
„Alle Burschen? Hat er wirklich befohlen, alle Burschen zurückzuschicken? Das kann doch nicht sein Ernst sein! Ich denke gar nicht daran …“
„Louise! Was ist denn heute mit dir los? Es ist das gute Recht meines Onkels, hier auf seinem Grund und Boden Befehle zu erteilen, wie es ihm beliebt!“
„Ja bitte, ich würde ausgesprochen gern ein Stückchen Mandelkuchen probieren“, erwiderte Lady Portland gänzlich ungerührt, so als habe sie von dem ehelichen Wortwechsel nichts mitbekommen. Und dann widmete sie ihre volle Aufmerksamkeit den Köstlichkeiten, die vor ihr auf dem Teller lagen. Wäre Elizabeth hier gewesen, sie hätte bemerkt, dass Mama das Geschehen im Speisezimmer sehr wohl genau verfolgte. Und wahrscheinlich hätte sie sich über das stille Vergnügen gewundert, das Mylady dabei offensichtlich empfand und das von Minute zu Minute größer wurde.
„Aber ich lass mir doch nicht verbieten, meinen Stallknecht in meiner Nähe zu haben. Shiffton muss bleiben!“
„Ich gehe hinauf zu Fredericks Zimmer und werde Einlass begehren!“, verkündete seine Lordschaft, ohne auf die Worte seiner Frau einzugehen. „Und dann werden wir ja sehen, ob man mich nicht vorlässt.“ Damit verließ er grußlos den Raum.
„Weil wir immer alles so machen müssen, wie seine greise Lordschaft sich das in den Kopf gesetzt hat“, murmelte Lady Bakerfield und setzte kaum hörbar hinzu: „Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre die ganze Sache schon längst erledigt.“ Und dann knallte auch sie ihre Serviette auf den Tisch und eilte aus dem Zimmer.
Lady Portlands Blick folgte ihr kopfschüttelnd.
Rasch stellte sich heraus, dass Lord Bakerfield bei seinem Vorhaben keinen Erfolg hatte. Der Wachposten war ein derber, untersetzter Bauernbursche, der sich weder von der Entrüstung seiner Lordschaft noch von dessen ungehaltenem Tonfall auch nur im Geringsten beeindrucken ließ.
„Tu nur meine Pflicht, Euer Gnaden, tu nur meine Pflicht“, war alles, was er immer wieder von sich gab. „Tu nur meine Pflicht, Euer Gnaden, tu nur meine Pflicht.“
Lord Bakerfield versuchte es mit Schmeicheleien und schließlich mit Bestechung. Doch auch das brachte ihn nicht weiter.
„Tu nur meine Pflicht, Euer Gnaden, tu nur meine Pflicht.“
Am Ende gab Lord Bakerfield auf.
Auf dem Weg zurück ins Speisezimmer kam er an den Räumen des Hausherrn vorbei. Es konnte nicht schaden, mit seinem Onkel ein paar ernste Worte zu wechseln. Es war Zeit, dass sich dieser seine Sicht der Dinge anhörte, und sicher hätte er dann nichts dagegen einzuwenden, wenn er sich mit seinem Cousin unter vier Augen unterhielt. Er hieb ein paarmal laut gegen die Tür. Es dauerte geraume Zeit, bis James ihm öffnete.
„Sagen Sie meinem Onkel Bescheid, dass ich dringend mit ihm sprechen muss!“
Doch auch hier hatte Lord Bakerfield kein Glück. Der Hausherr sei durch die Ereignisse des Tages echauffiert und nicht imstande, sich den Mühen einer Unterhaltung auszusetzen.
„Aber ich bin sein Neffe! Ein Gespräch mit mir wird den alten Herrn schon nicht zu sehr anstrengen!“
„Bedaure, Sir!“
Auf der Treppe wurden leichte Schritte hörbar, und während Lord Bakerfield überlegte, wie er den Kammerdiener seines Onkels doch noch umstimmen könnte, bog seine Gattin in den linken Flügel ein. Ihrem freundlichen Lächeln nach war sie bereits wieder bester Laune. Wie machte sie das nur? Wut und mädchenhafter Liebreiz wechselten bei ihr in Sekundenschnelle. Wenn er sich ärgerte, dann hielt der Ärger immer viel länger an.
„Ach, da bist du ja, mein Lieber. Ich habe den Abendtee für deinen lieben Onkel gebracht. Ich denke, nach den Aufregungen der letzten Stunden wird ihm das heiße Getränk besonders guttun. Er wird ihn beruhigen …“
Sie streckte ihre Rechte aus, um dem wartenden James wie jeden Abend das kleine Silbertablett zu übergeben, doch heute griff ihr Mann
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