Das Geheimnis von Digmore Park
all die Sorge und Ungewissheit von sich abzuwaschen. Wenn es doch nur genauso einfach wäre, die tristen Gedanken und ihre Enttäuschung fortzuspülen! Dewary hatte sie beim Essen nicht ein Mal angesehen . Stets war er ihren Blicken ausgewichen und hatte nur Augen und Ohren für seinen Vater gehabt. Er hatte nicht einmal bemerkt , wenn sie ihm zulächelte! Anscheinend war sie wirklich bloß ein Zeitvertreib gewesen. Wie ihr Mama erzählt hatte, war es Teil des Plans, dass sie in Dewarys Zimmer zugegen war, damit dieser nicht auf die dumme Idee verfiel, einen halsbrecherischen Fluchtversuch zu wagen. Diese Aufgabe hatte sie wohl erfüllt. In jedem Fall wurden ihre Dienste nun nicht mehr länger benötigt. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Ihre flache Hand knallte auf das Wasser, dass es spritzte und ihr Kleid, das Molly über den Sessel neben dem Bett gelegt hatte, einige hässliche Tropfen abbekam. Die Zofe hatte versucht, aus den verschlossenen Gesichtszügen ihrer Herrin schlau zu werden. Irgendetwas war während des Mittagessens geschehen. Miss Elizabeth war nach den Tagen, die sie im Turmzimmer eingesperrt gewesen war, überraschend gut gelaunt, ja richtig aufgekratzt gewesen. Doch jetzt waren ihre Lippen zusammengepresst und ihre Augen funkelten. Sie hoffte inständig, dass nicht sie es war, der Miss Porters Zorn galt. Schnell holte sie ein großes Tuch und breitete es mit beiden Händen aus, um ihrer Herrin beim Abtrocknen behilflich zu sein.
„Es ist wohl besser, wenn Sie aus der Wanne steigen, bevor Sie das ganze Wasser im Raum verteilen. Die letzten Tage waren sicher anstrengend. Wollen Sie sich nicht ein wenig hinlegen und ausruhen? Ich wecke Sie dann zum Dinner.“
Dinner? Elizabeth verspürte nicht die geringste Lust auf das Dinner. Sie verzog unwillig das Gesicht, sagte jedoch kein Wort und ließ es zu, dass Molly ihr das Nachthemd überstreifte und sie zu Bett brachte. Ihr Kopf hatte das Kissen kaum berührt, da war sie auch schon eingeschlafen.
Kurz vor fünf rüttelte Molly an ihrer Schulter. „Sie schlafen heute aber ganz besonders fest, Miss Elizabeth! Es ist Zeit, dass Sie sich für das Abendessen vorbereiten. Welches Kleid möchten Sie denn tragen?“
Elizabeth, so unsanft aus dem Schlaf gerissen, gab einen unwilligen Laut von sich. Gerade jetzt, wo es am schönsten war, wurde sie geweckt! Im Traum hatte sie in Dewarys Armen gelegen, der ihr die liebevollsten Worte ins Ohr flüsterte. Ob sie den Traum wohl weiterträumen könnte, wenn sie sich am Abend zu Bett begab?
„Miss Elizabeth, was ist denn heute bloß los mit Ihnen? Soll ich Ihnen das kornblumenblaue Kleid herauslegen und dazu die hübschen Satinschuhe, die mit Schleifen an den Fesseln gehalten werden?“
Elizabeth rieb sich die Augen und setzte sich schweren Herzens auf. Das kornblumenblaue Kleid hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Gewand, das sie im Traum getragen hatte. Mit dieser Wahl war sie einverstanden. Sie stand auf, und während sie sich reckte und streckte, fiel ihr Blick auf einen Strauß bunter Rosen, der auf einem Schemel neben der Tür lag.
„Was sind denn das für Blumen? Hast du sie mitgebracht, Molly?“
Das Mädchen wandte sich um und folgte Elizabeths Blick. „Ach die. Ich weiß auch nicht, woher die kommen. Sie lagen vor Ihrer Tür, als ich eben hereinkam.“
Mit einem Mal kam Leben in Elizabeth. „War denn keine Karte in dem Strauß?“
Rasch lief sie zum Schemel und hob die Blumen hoch. Was für ein wunderschönes Bukett! Da waren Rosen in allen Schattierungen von Rosé, Rosa und Pink, in Zartgelb und auch eine weiße Knospe. Elizabeth versenkte behutsam ihr Gesicht in die Blütenpracht.
Dann untersuchte sie die Blumen. Da war keine Karte! Aber das konnte doch nicht sein! Dabei war sie sich so sicher gewesen, dass die Rosen nur von einem stammen konnten. Mit einem Satz war sie bei der Tür, riss sie auf und wirklich, da lag ein weißes Rechteck einsam und verlassen im Flur. Molly konnte sich nicht genug wundern. „Da ist ja tatsächlich eine Karte! Wer mag das sein? Das ist ja so aufregend! Schnell, lesen Sie, was da steht!“
Es hätte der Aufforderung ihrer Zofe nicht bedurft. Elizabeth wandte sich ein wenig ab, sodass das Mädchen nur einen Blick auf die Zeilen erhaschen konnte. Doch Molly war hartnäckig. „Von wem stammen die Blumen, Miss Elizabeth? Wo haben Sie denn einen Verehrer kennengelernt? Sie haben doch in den letzten Tagen das Turmzimmer nicht verlassen!“
„Molly, du bist
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