Das Geheimnis von Digmore Park
klammheimlich zu verlassen, auch noch unterstützen?“
Dewary tupfte seinen Mund mit der Serviette ab. „Du kennst doch Edward! Denkst du, er hätte seine Mutter gehen lassen? Er hätte sicher alles getan, um dies zu verhindern. Und dass er bei der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich ist, das wissen wir nicht erst seit heute.“
„Da hast du natürlich recht, mein Sohn. Doch das ist noch lange kein Grund, mich im Ungewissen zu lassen.“
„Darf ich dich bitten, diese Angelegenheit mit Tante Barbara zu besprechen, Vater? Es war allein ihre Entscheidung. Zudem ging ich davon aus, du würdest ihren Brief bekommen.“
„Nun gut, wie dem auch sei. Drei Tage nach deiner Abreise vernahm ich die Räder einer Kutsche auf dem Kies des Vorplatzes. Zuerst dachte ich, Barbara sei zurückgekehrt, um mir alles zu erklären. Doch es war nicht meine Schwester. Durch das Fenster meines Zimmers erkannte ich in der Besucherin deine Verlobte. Ich war im Begriff, mich umziehen, um deine Verlobte in unserem Haus willkommen zu heißen, da überraschte James mich mit der Nachricht, dass Edwards Gattin angekommen sei. Ich konnte es zuerst nicht glauben, also schickte ich nach Richards, um mich zu vergewissern. Ich ließ sogar zu, dass Edward mir seine Aufwartung machte, und fragte ihn, ganz beiläufig, ob seine Frau eine Zwillingsschwester habe. Und als er dies verneinte, wusste ich, ich musste mich vorsehen. Und entschloss mich, in meinen Zimmern zu bleiben.“
„Wenn ich es richtig verstanden habe, dann bist du Vivian als Kammerdiener gegenübergetreten.“
Seine Lordschaft nickte. „Ich wollte mich keinesfalls hier oben vergraben und zulassen, dass dieses dumme Ding die Zügel an sich reißt und überall nach Herzenslust herumschnüffelt. Damit, dass ich den Earl quasi an sein Bett fesselte, verschaffte ich mir als Kammerdiener die Freiheit, die ich brauchte. Jennings hatte die Güte, seine Anzüge gereinigt und fein säuberlich im Schrank seiner Kammer für seinen Nachfolger bereitzuhalten. Noch etwas von dem Gemüse, meine Liebe?“
Während Lady Portland lächelnd verneinte, stellte Dewary schon die nächste Frage: „Was geschah mit Paul?“
„James trifft seine Freunde einmal die Woche in der Schänke unten am Fluss. Eines Abends war dort auch Paul zugegen, den sie im Stall seit Tagen vermissten. Er erzählte ihm im Vertrauen die ganze Geschichte und bat James, ihm sein Pferd zu überlassen und stattdessen mit der Kutsche heimzufahren. Er wollte noch einen freien Abend genießen.“ Lord Digmore seufzte. „Ach, wäre er bloß am selben Abend mit meinem Kammerdiener zurückgekehrt, wer weiß, wie sich die Dinge dann entwickelt hätten!“
Er seufzte abermals, und die anderen schwiegen betreten, bis Dewary fragte: „Wie bist du dahintergekommen, dass es Edward und Louise waren, die Paul erschlugen? Es hätten doch Straßenräuber gewesen sein können.“
„Das ist richtig“, räumte sein Vater ein, „doch die Gauner sind auf Geld und Schmuck aus. Die erschlagen keinen wehrlosen Stallbuschen, von dem nichts zu holen ist, und lassen dann auch noch zu, dass sein Pferd zum Stall zurückläuft!“
„Diese Schlussfolgerung leuchtet mir ein, Vater. Doch wie kamst du Edward und seiner Frau auf die Schliche?“
„Lange Zeit konnte ich mir keinen Reim darauf machen, was geschehen war. Denn niemand wusste vom Verbleib des Burschen. Bis ich herausgefunden hatte, wo er war, hielt ich es für angebracht, allen aufzutragen, Stillschweigen zu wahren.“
Dewary merkte auf. „Ach, deshalb wusste niemand etwas von einem Paul, als Charlie im Stall nach ihm fragte.“
„Das ist gut möglich. Und was Paul betrifft, der lag die ganze Zeit in dem Sarg, auf dem Barbaras Name stand!“ Er schwieg nachdenklich und schüttelte dann in Gedanken versunken den Kopf. „Könnt ihr euch das vorstellen? Edward war am Tag, als der Mord geschehen sein musste, bei mir. Er redete wie immer, er benahm sich wie immer, er versuchte mich wie so oft zu überreden, seine junge Frau kennenzulernen. Wie hätte ich da ahnen können, einem Mörder gegenüberzusitzen?“
„Mir ist immer noch nicht klar, Vater, wie du erfahren hast, dass es Edward und Louise waren, die Paul auf dem Gewissen haben …“
Zu aller Überraschung begann Mylord zu schmunzeln. „Das wusste ich selbst bis vor zwei Stunden nicht“, bekannte er freimütig. „Vorhin im Jagdsalon habe ich einen bloßen Verdacht geäußert. Und siehe da, die beiden haben ohne Zögern den Mord
Weitere Kostenlose Bücher