Das Geheimnis von Digmore Park
Landauer. Von hier hatten sie das Wirtshaus gut im Blick. Obwohl die Fahrt nicht mehr als eine halbe Stunde gedauert hatte, waren sie doch froh, in den warmen Sommertag hinauszutreten. Warum roch es bloß im Inneren einer Kutsche immer so muffig? Der Regen hatte aufgehört und die Sonne den wolkenverhangenen Himmel zurückerobert. Das Gras war noch feucht, und die Nässe drang bald unangenehm durch die dünnen Schuhsohlen.
„Ich hoffe wirklich, Major Dewary lässt uns nicht allzu lange warten.“ Lady Portland sah ungeduldig zum Wirtshaus hinüber. „Kannst du dir vorstellen, wo er so lange bleibt?“
Der Tadel in ihrer Stimme war nicht zu überhören. In diesem Moment löste sich ein Schatten vom Stamm einer besonders dicken Eiche hinter ihnen. „ Er ist schon hier, Mylady!“
Mit raschen Schritten kam Dewary über die Wiese auf sie zu. „Wenn Sie wüssten, wie sehr ich mich freue, Sie beide zu sehen!“
Sein strahlendes Lächeln war der deutlichste Beweis dafür, dass er seine Worte ernst meinte. Er begrüßte Lady Portland. Elizabeths Herz tat einen Satz. Hatte er schon immer so gut ausgesehen? Sein Bart war in der letzten Woche wieder dichter geworden, dennoch hatte er nichts Grimmiges mehr an sich. War sein Lächeln schon immer so herzlich gewesen? Seine Hand war angenehm warm, als er die ihre ergriff, um sich formvollendet darüberzubeugen. Wie viel hätte sie in diesem Augenblick darum gegeben, dass er sie nie wieder losließ!
„Und da ist ja auch Charlie. Großartig! Wie geht es dir? Hast du etwas herausfinden können? Irgendetwas, was mich weiterbringt?“
Der Bursche verzog bedauernd sein Gesicht. „Nichts wirklich Neues, Major, fürchte ich! Was bin ich froh, Sie zu sehen! Und zu wissen, dass Sie hier in Sicherheit sind. Bei Ihnen zu Hause, da geht es zu, sag ich Ihnen. Der Friedensrichter hat seine Mannschaft schon wieder aufgestockt. Das sind jetzt mindestens zehn Mann, die sich da zu schaffen machen …“
„… und den Rosengarten zertrampeln“, fügte Elizabeth hinzu. Sie sah Dewarys erstaunten Blick und hätte sich für ihre vorschnellen Worte ohrfeigen können. Die zertrampelten Blumen waren sicher Dewarys geringste Sorge.
„Warum, um Himmels willen, zertrampeln die Männer den Rosengarten? Gebietet ihnen niemand Einhalt? Wo ist Mr. Hammond, der Gärtner?“
„Soweit wir unterrichtet sind, hat Lady Bakerfield ihn entlassen“, meldete sich Mylady zu Wort. „Er war ihr zu frech!“
Major Dewary glaubte, sich verhört zu haben. „Wer war zu frech? Der ruhige, stets besonnene Mr. Hammond? Das kann ich nicht glauben! Und überhaupt, wie kommt diese Lady Bakerfield dazu, über unser Personal zu verfügen?“
„Das haben wir uns, um ehrlich zu sein, auch schon gefragt!“, warf Elizabeth ein. „Dennoch, Mylady schaltet auf Digmore Park nach eigenem Belieben.“
„Ja, aber Papa! Was ist mit Papa? Ist es Ihnen gelungen, mit ihm zu sprechen? Er kann dem Treiben dieser Lady Bakerfield doch nicht tatenlos zusehen!“
Lady Portland schüttelte betrübt den Kopf. „Wenn man es genau nimmt, Major Dewary, dann sieht er dem Treiben nicht zu, denn er verlässt seine Zimmer nicht.“
„Es stimmt also tatsächlich? Was ist mit den Mahlzeiten?“
Myladys Kopfschütteln verstärkte sich. „Auch die werden ihm nach oben gebracht. Und leider, leider sind wir bisher nicht zu ihm vorgedrungen. Sein Kammerdiener hat Elizabeth versprochen, sein Möglichstes zu versuchen, doch anscheinend ist es ihm nicht gelungen, seinen Herrn zu überzeugen.“
„Schade, dass Mr. Jennings nicht mehr in unseren Diensten ist, der hatte bei Weitem mehr Einfluss auf Papa als James.“
Wenn dieser Mr. Jennings noch hier wäre, müssten wir seine Adresse nicht in einem Geheimversteck suchen, dachte Elizabeth bei sich. Laut sagte sie: „Seltsam, dass Ihnen Lady Bakerfield völlig fremd ist. Uns hat sie erzählt, Sie beide würden sich nicht nur kennen, nein, Sie würden sich sogar gut verstehen!“
Dewary riss die Augen auf. „Das sagte sie tatsächlich? Wie heißt die Dame? Louise, wenn ich mich richtig an Mr. Bishops Worte erinnere. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht eine Louise kennengelernt!“
Das war allerdings merkwürdig, fand auch Elizabeth. Warum log diese Frau bloß? Was versprach sie sich davon?
„Wenn ich nur wüsste, wo diese Lady so plötzlich herkommt! Edward war noch nie in seinem Leben verlobt, und nun ist er auf einmal verheiratet.“
„Wann haben Sie Ihren Cousin zuletzt
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