Das Geheimnis von Mulberry Hall
feindlichen Clans.
Früher war Lexie oft dort gewesen, um ihre Großmutter und Grandpa Alex zu besuchen. Als Kind zusammen mit ihren Eltern, später dann allein. Stourbridge war ein bezauberndes Dörfchen mit unzähligen kleinen Cottages, und Lexie hatte die Zeit dort immer sehr genossen.
Und genau das war der Punkt.
Ausgerechnet mit Lucan St. Claire aufzutauchen, wo viele Leute sie bereits seit ihrer frühesten Kindheit kannten, konnte nur Ärger bedeuten. Was für eine verfahrene Situation!
Und wie üblich hatte sie diesen ganzen Schlamassel ihrer unbändigen Neugier und ihrem ungezügelten Temperament zu verdanken.
Ihr Hals wurde ganz eng, und sie schluckte, während sie krampfhaft Lucans scharfem Blick auswich. „So kurzfristig kann ich London einfach nicht verlassen“, begann sie unschlüssig.
„Das ist mit Ihrer Agentur längst abgesprochen“, beruhigte er sie. „Außerdem steht im Arbeitsvertrag, dass meine Assistentin auch für kurze Geschäftsreisen stets zur Verfügung stehen muss“, setzte er mit ein wenig Genugtuung hinzu.
Seit drei Jahren arbeitete Lexie schon mit im Betrieb ihrer Eltern, und sie kannte die Vereinbarungen für befristete Arbeitsverträge genau. Als Tochter der Eigentümer hatte sie ein solches Papier allerdings nicht unterschrieben, doch das konnte sie Lucan gegenüber wohl kaum zugeben.
Ihr wurde langsam übel. „Mir scheint es, als würden nicht geschäftliche, sondern persönliche Gründe deine Anwesenheit dort erfordern“, begann sie umständlich.
„Korrigiere mich bitte, wenn ich falschliege“, konterte er ruhig. „Aber die Abkürzung PA steht doch wohl für Persönliche Assistentin ?“
„Schon, aber …“
„In diesem Fall wünsche ich, dass du mich als meine persönliche Assistentin nach Gloucestershire begleitest.“
„Da muss ich leider widersprechen.“
„Und du meinst, deine Einwände sind für mich von irgendeiner Bedeutung?“
Ein paar Sekunden lang sah sie ihn nur prüfend an. „Nein“, gab sie schließlich mit einem Seufzer zu. „Aber dein kleiner Ausflug kann doch sicher noch warten, bis meine Ablösung übernimmt?“
„Ich habe nicht vor, meine Pläne auf deine Bedürfnisse abzustimmen, Lexie“, erwiderte er kühl. „Aber falls es dich beruhigt, ich nehme eine ganze Aktentasche voll Arbeit mit.“
„Oh.“ Sie schnitt eine Grimasse.
„Dann sehen wir uns in zwei Stunden hier, aber bitte mit gepackter Reisetasche.“
Das darf doch alles nicht wahr sein! schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann doch nicht mit ihm dorthin fahren!
Das Haus ihrer Großmutter war nur eine halbe Meile von Lucans pompösem Elternhaus entfernt. Als Kind hatte Lexie oft in den Wäldern des Anwesens gespielt und war mit ihrer Großmutter und Grandpa Alex auf dem Grundstück spazieren gegangen. Sie hatten auch den Swimmingpool benutzt, der im hinteren Teil des Gebäudes lag.
Aber Lexie hatte nie eine Nacht auf Mulberry Hall verbracht. Ihre Großmutter hatte nicht dort leben wollen, nicht einmal nach Alex’ Scheidung. Es war wirklich vertrackt, denn jetzt durfte Lexie sich Lucan gegenüber auf keinen Fall anmerken lassen, dass sie sich in seinem Haus auskannte. Sonst war sie ihm eine Erklärung schuldig.
Einen letzten Versuch wagte sie noch. „Mir wäre wirklich lieber, wenn ich dich nicht begleiten müsste.“
„In diesem Fall“, entgegnete er verkniffen, „sollte ich deiner Agentur dringend raten, die Zusammenarbeit mit dir zu beenden, zu ihrem eigenen Wohl.“
„Drohst du mir etwa?“ Lexie wurde ganz heiß vor Schreck. Dieser Mann hatte genügend Einfluss, das Unternehmen ihrer Eltern mit einem Handstreich dem Erdboden gleichzumachen.
Auch daran hätte sie wirklich früher denken sollen.
„Ich habe noch nicht einmal damit begonnen, dir zu drohen, Lexie.“
In seinem Gesicht spiegelte sich plötzlich wider, wozu er fähig war. Trotzdem verstand Lexie nicht, warum er so darauf erpicht war, sie mit aufs Land zu nehmen. Bestand er etwa darauf, weil er genau wusste, wie sehr sie sich dagegen sträuben würde?
Dieser Kerl war wirklich rücksichtslos. Er benutzte Menschen und brachte sie dazu, das zu tun, was er wollte. Ohne jegliche Skrupel. Und je mehr Lexie sich dagegen wehrte, desto hartnäckiger würde er auf seine Forderungen pochen. Letztendlich hatte sie sich ihre missliche Lage selbst zuzuschreiben.
Ergeben atmete sie durch. „Dann also in zwei Stunden?“
Lucan verspürte nicht die geringste Genugtuung darüber, Lexie seinen Willen
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