Das Geheimnis von Orcas Island
Stunden später zurückkehrte. Musik spielte im Gesellschaftsraum, ein sanftes, melodiöses Lied aus den Fünfzigerjahren. Der Raum war nun schummriger, erleuchtet nur vom Feuer im Kamin und einer Glaskugel-Lampe. Er war außerdem leer, abgesehen von Charity, die aufräumte und dabei die Musik mitsummte.
»Ist die Party vorüber?«
Sie blickte sich um und fuhr dann hastig fort, Tassen und Teller aufzustapeln. »Ja. Sie sind nicht lange geblieben.«
»Ich hatte zu arbeiten.«
Weil sie in Bewegung bleiben wollte, leerte sie nun Aschenbecher aus. »Ich war müde heute Morgen, aber das ist keine Entschuldigung dafür, dass ich grob zu Ihnen war. Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen den Eindruck gegeben habe, dass Sie sich nicht ein paar Stunden lang amüsieren können.«
Ronald wollte keine Entschuldigung akzeptieren, die er nicht verdiente. »Mir macht die Arbeit Spaß.«
»Wie dem auch sein mag, gewöhnlich erteile ich nicht so schroffe Befehle. Ich war böse auf Sie.«
»War?«
Sie blickte ihn klar und offen an. »Bin. Aber das ist mein Problem. Und ich bin genauso böse auf mich. Ich habe mich wie ein Kind aufgeführt, und nur, weil Sie die Dinge gestern Abend nicht haben ausarten lassen.«
Verlegen griff er zur Weinkaraffe und goss ein Glas sein. »Sie haben sich nicht wie ein Kind aufgeführt.«
»Dann eben wie eine verachtete Frau, oder was genauso Dramatisches. Widersprechen Sie mir bitte nicht, wenn ich mich entschuldige.«
Trotz seiner besten Bemühungen verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Wenn er nicht aufpasste, könnte sich durchaus herausstellen, dass er verrückt nach ihr war. »Also gut. Kommt noch mehr?«
»Nur ein bisschen. Ich sollte meine persönlichen Gefühle nicht auf die Leitung des Gasthauses einwirken lassen. Das Problem ist, dass beinahe alles, was ich denke oder fühle, mit dem Gasthaus zusammenhängt.«
»Keiner von uns hat gestern Abend ans Gasthaus gedacht. Vielleicht liegt das Problem darin.«
»Vielleicht.«
»Wollen Sie die Couch zurückschieben?«
»Ja.« Geschäftlich wie üblich, dachte Charity, während sie ihr Ende des Sofas anhob. Sobald es an seinem Platz stand, schüttelte sie die Kissen auf. »Ich habe Sie mit Miss Millie tanzen sehen. Es hat sie entzückt.«
»Ich mag sie.«
»Das glaube ich auch.« Langsam richtete sie sich auf und musterte ihn. »Sie sind nicht der Typ, der leicht jemanden mag.«
»Nein.«
Sie wollte zu ihm gehen, eine Hand auf seine Wange legen. Das ist lächerlich, sagte sie sich. Trotz ihrer Entschuldigung war sie immer noch böse auf ihn wegen des vergangenen Abends. »War das Leben so hart?« murmelte sie.
»Nein.«
Mit einem kleinen Lachen schüttelte Charity den Kopf. »Und wenn es so wäre, würden Sie es mir auch nicht sagen. Ich muss lernen, Ihnen keine Fragen zu stellen. Warum schließen wir nicht Frieden, Ronald? Das Leben ist zu kurz für schlechte Gefühle.«
»Ich habe keine schlechten Gefühle Ihnen gegenüber, Charity.«
Sie lächelte ein wenig. »Es ist verlockend, aber ich werde nicht fragen, was für Gefühle Sie haben.«
»Ich könnte es Ihnen auch nicht sagen, weil ich es nicht ergründet habe.« Es wunderte ihn, dass er es ausgesprochen hatte. Nachdem er den Wein getrunken hatte, stellte er das leere Glas ab.
»Nun.« Erstaunt schob sie mit beiden Händen ihr Haar zurück. »Das ist das Erste, was Sie mir sagen, das ich wirklich verstehen kann. Wir scheinen im selben Boot zu sitzen. Kann ich davon ausgehen, dass wir Frieden haben?«
»Gewiss.«
Sie blickte zum Plattenspieler, als eine neue Schallplatte auf den Teller herabfiel. »Das ist eins meiner Lieblingslieder. Smoke Gets in Your Eyes .« Sie lächelte wieder, als sie zu Ronald zurückblickte. »Sie haben mich gar nicht zum Tanzen aufgefordert.«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Miss Millie behauptet, dass Sie sehr gut tanzen.« Sie streckte eine Hand aus, in einer Geste, die ebenso Friedensangebot wie Einladung war. Unfähig zu widerstehen, nahm er ihre Hand in seine. Ihre Blicke hielten sich gefangen, als er sie langsam an sich zog.
Das Feuer war heruntergebrannt. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Die Schallplatte war alt und zerkratzt, die Melodie rührend traurig. Charitys Hand ruhte leicht auf Ronalds Schulter, seine auf ihrer Taille.
Ihre hohen Absätze brachten sie fast auf Augenhöhe mit ihm. Er konnte den leichten Duft einatmen, der so sehr ein Teil von ihr zu sein schien. Verführt davon, zog er sie langsam näher. Ihre
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