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Das Geheimnis von Sittaford

Das Geheimnis von Sittaford

Titel: Das Geheimnis von Sittaford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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äußern. «Doch leider hat sich Onkel Joseph recht unnahbar verhalten. Nein, wirklich, er war kein umgänglicher Mensch – niemand könnte ihm das nachrühmen. Kein Mensch, zu dem man mit seinen Nöten und seinem Kummer hätte flüchten mögen, ein unangenehmer Krittler und Nörgler. Kein Mensch, der auch nur annähernd einen Begriff davon gehabt hätte, was Literatur ist. Erfolg – wahrer Erfolg lässt sich nicht immer mit Geld aufwiegen, Inspektor.»
    Endlich machte sie eine Pause, und Narracott, dem ihr Wortschwall einige Anhaltspunkte gegeben hatte, bemerkte schnell:
    «Die Nachricht vom tragischen Schicksal Ihres Onkels hat Sie verhältnismäßig rasch erreicht, Mrs Dering.»
    «Tante Jenny telegrafierte mir. Doch vermutlich werden die Abendzeitungen auch schon darüber berichten. Schrecklich, so in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, nicht wahr?»
    «Ihren Worten darf ich wohl entnehmen, dass Sie Ihren Onkel in den letzten Jahren wenig sahen?»
    «Zweimal seit meiner Heirat. Und beim letzten Zusammensein hat er sich sehr unhöflich, um nicht zu sagen ungezogen Martin gegenüber betragen. Nun ja, er war ein richtiger Spießer, in jeder Hinsicht – für nichts Sinn als für Sport. Wie gesagt, keine Würdigung der Literatur.»
    Der literarische Gatte versuchte ihn anzupumpen und wurde abgewiesen, lautete Inspektor Narracotts Urteil. Aber er behielt seine Gedanken für sich und fragte höflich: «Würden Sie mir bitte sagen – es ist natürlich nur eine Formsache –, wie Sie den gestrigen Nachmittag verbrachten, Mrs Dering?»
    «Ich…? Nun, Inspektor, Sie stellen etwas seltsame Fragen. Nachmittags spielte ich Bridge, und später besuchte mich eine Freundin und leistete mir den Abend über Gesellschaft, da mein Mann eingeladen war.»
    «So, er war nicht zu Hause?»
    «Ein literarisches Dinner», erläuterte Mrs Dering wichtig. «Mittags hatte er bereits mit einem amerikanischen Verleger gegessen, und abends fand dann das Dinner statt.»
    «Ihr jüngerer Bruder lebt in Australien?», erkundigte sich Narracott, der sich für den Geisteshelden Dering nicht weiter interessierte. «Wo dort, bitte?»
    «Ja, ja… wo denn nur? Mein Gott, ich kann mich im Augenblick nicht auf den Namen des Ortes besinnen, doch wenn Ihnen daran liegt, suche ich die Adresse in meinem Schreibtisch.»
    «Danke, bemühen Sie sich bitte nicht. Und Ihr älterer Bruder? Ich möchte mich gern mit ihm in Verbindung setzen.»
    Mrs Dering beeilte sich, ihm die Adresse zu nennen – die gleiche, die ihm Mrs Gardner gegeben hatte. Und da Inspektor Narracott spürte, dass eine Fortsetzung des Gesprächs mit Sylvia Dering Zeitverschwendung gewesen wäre, verabschiedete er sich mit ein paar höflichen Worten von ihr.
    Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, dass er gegen sieben wieder in London sein würde – genau richtig, um Mr James Pearson daheim anzutreffen.
    In der Cromwell Street öffnete ihm dieselbe ältere, wortkarge Frau. Ja, Mr Pearson sei in seinem Zimmer. Sie ließ Narracott eintreten, klopfte dann an eine Tür und sagte: «Der Herr, der Sie schon heute Mittag zu sprechen wünschte, Sir.»
    Ein junger Mann im Smoking stand in der Mitte des Raums – ein außerordentlich gut aussehender junger Mann, an dem nur ein weicher Mund und der merkwürdig scheue Ausdruck seiner Augen störte. Im Übrigen machte er den Eindruck, als habe es ihm letzthin an Schlaf gefehlt.
    Fragend blickte er den unbekannten Besucher an.
    «Ich bin Inspektor Narracott», begann dieser – aber weiter kam er nicht.
    Denn mit einem heiseren Aufschrei sank der junge Mann auf einen Stuhl, warf die Arme auf die Tischplatte und murmelte, während sich sein Kopf auf die Brust senkte:
    «Oh, mein Gott! Nun ist es eingetroffen…!»
    Nach einer Weile hob er den Kopf wieder und sagte: «Nun? Warum reden Sie denn nicht zu Ende, Mann?»
    Inspektor Narracott blickte ziemlich verdutzt drein.
    «Ich bin mit der Aufklärung des Mordes an Ihrem Onkel Trevelyan befasst. Darf ich fragen, ob Sie mir irgendetwas zu sagen haben?»
    Langsam erhob sich der junge Mann und stieß hervor:
    «Werden Sie… mich verhaften?»
    «Nein, Sir. Ich wollte Sie nur fragen, wo Sie sich gestern nachmittag aufhielten, und es steht Ihnen frei, die Antwort zu verweigern.»
    «Und wenn ich Ihnen nicht antworte, wird mir ein Strick daraus gedreht. Oh, ich kenne Ihre kleinen Schliche. Sie haben also herausgefunden, dass ich gestern dort gewesen bin?»
    «Ihr Name steht ja im Gästebuch der ‹Three Crowns›,

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