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Das Geheimnis von Sittaford

Das Geheimnis von Sittaford

Titel: Das Geheimnis von Sittaford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ein Gefangener geflüchtet ist?», fragte er.
    «Hat man ihn noch nicht wieder eingefangen?»
    «Nein, noch nicht. Armer Kerl, lange wird er sich seiner Freiheit nicht erfreuen können! Ohne Übertreibung: In den letzten zwanzig Jahren ist noch keinem die Flucht aus Princetown geglückt.»
    «In welcher Richtung liegt Princetown?»
    Mr Rycroft wies mit seiner mageren Hand südwärts über die leide.
    «Dort hinüber; zwanzig Kilometer Luftlinie, über unberührte Heide. Fünfundzwanzig Kilometer, wenn man der Straße folgt.»
    Emily überlief ein kalter Schauer. Fürchterlich, so ein gehetzter Mensch!
    Der neue Bekannte, dem dies fröstelnde Zusammenzucken nicht entgangen war, nickte:
    «Ja, ich empfinde genau wie Sie. Merkwürdig, wie man sich empört bei der Vorstellung, dass ein Mensch gejagt und von Häschern verfolgt wird! Und dennoch sind die Insassen von Princetown samt und sonders gefährliche, gewalttätige Verbrecher, deren Bestrafung durch die Obrigkeit Sie und ich unbedingt befürworten würden.» Er lachte ein wenig verlegen und gleichsam entschuldigend. «Ich befasse mich viel mit kriminalistischen Studien, Miss Trefusis. Vogelkunde und Verbrecherkunde – das sind meine beiden Interessengebiete. Und deshalb würde ich, wenn Sie gestatten, gern mit Ihnen Hand in Hand arbeiten. Ein Verbrechen in der Wirklichkeit und von Anbeginn studieren zu können, ist ein bisher unerfüllter Traum von mir. Wollen Sie mir erlauben, Ihnen meine durch emsige Arbeit errungene Erfahrung zur Verfügung zu stellen?»
    Emily antwortete nicht sofort. «Blickwinkel!» hallte es in ihr nach – das Wort, das ihr kurz zuvor durch den Kopf geschossen war. Major Burnabys Blickwinkel war ihr nicht mehr: nüchtern, einfach, geradeaus, nur Tatsachen zur Kenntnis nehmend und der Feinheiten nicht achtend. Nun bot sich ihr ein anderer Blickwinkel, der ein völlig neues Gesichtsfeld eröffnen konnte. Dieser kleine, verhutzelte Mann hatte viel gelesen und viel studiert, kannte sich aus in der menschlichen Natur, wurde von dieser verzehrenden Wissbegier in Bezug auf die Irrungen und Wirrungen des Lebens geplagt, die nur dem Grübler eigen ist und die der Mann der Tat nicht kennt.
    «Bitte, helfen Sie mir», sagte sie schlicht. «Ich bin so unglücklich und traurig.»
    «Ich sehe es, mein Kind, ich sehe es. Nun hören Sie, wie ich die Sachlage beurteile: Trevelyans ältester Neffe ist verhaftet worden – auf Grund einleuchtenden Beweismaterials. Ich aber lasse mir den Blick dadurch nach keiner Richtung hin trüben. Nehmen wir einmal an, der junge James – nicht wahr, so heißt er doch? –, also der junge James hätte dringend Geld gebraucht, sei zu seinem Onkel gefahren, der seine Bitte abschlägig beschied, und hätte in einem Anfall sinnloser Wut Captain Trevelyan niedergeschlagen. Also ein nicht vorbedachtes Verbrechen, eine höchst unvernünftig und bedauernswert plump ausgeführte Tat. Nun, das alles mag sich so verhalten. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass, kurz nachdem er sich im Zorn von seinem Onkel getrennt hatte, eine andere Person in das Zimmer trat und das Verbrechen beging. Diese Möglichkeit ist das, Miss Trefusis, was Sie glauben und was ich – um eine kleine Unterscheidung zu machen – hoffe. Ich möchte Ihren Verlobten nicht mit dem Mord belasten, denn von meinem Gesichtspunkt aus wäre dann alles so uninteressant. Und deshalb besteige ich das andere Pferd und behaupte: Das Verbrechen beging ein noch Unbekannter. Hiermit drängt sich uns unweigerlich die Frage auf, ob dieser Betreffende von dem vorhergegangenen Zwist zwischen Onkel und Neffen wusste? Beschleunigte dieser Zwist etwa den Mord? Sie verstehen wohl, worauf ich hinaus will, Miss Trefusis, nämlich: irgendjemand sinnt auf Mittel und Wege, Captain Trevelyan aus dem Weg zu räumen, und nimmt schleunigst diese Gelegenheit wahr, da er erkennt, dass der Verdacht nur auf den jungen James fallen wird.»
    Emily starrte sinnend in die Weite.
    «In diesem Fall…», sagte sie langsam.
    Aber Mr Rycroft ließ sie nicht zu Wort kommen.
    «In diesem Fall hätten wir den Mörder in der nächsten Umgebung des Captain zu suchen», führte er eifrig aus. «Er muss in Exhampton ansässig sein, und aller Wahrscheinlichkeit nach ist er während oder nach dem Streit im Haus gewesen. Und da wir uns nicht vor einem Gerichtshof befinden und unbesorgt Namen nennen dürfen, drängt sich unbedingt der Name Evans auf unsere Lippen, als eine Person, die unseren Bedingungen

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