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Das Geheimnis von Sittaford

Das Geheimnis von Sittaford

Titel: Das Geheimnis von Sittaford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zu melden, und erhielt den Bescheid, dass Madame heute Vormittag niemanden empfange.
    «Ich bringe einen Brief von Miss Percehouse», erklärte Emily.
    Jetzt bekam die Sache ein anderes Gesicht. Das Mädchen wurde unschlüssig, sagte zaudernd: «Wollen Sie bitte hereinkommen!», und führte den Besuch durch eine hohe getäfelte Halle in ein großes Wohnzimmer, das Spuren weiblicher Bewohner aufwies: ein Nähkästchen, einen liegen gebliebenen Mädchenhut und eine Pierrotpuppe mit unnatürlich langen, spinnengleichen Beinen.
    Als Emily all dies mit einem schnellen Blick registriert hatte und vor dem Feuer ihre kalten Hände wärmte, öffnete sich die Tür. Eine hübsche junge Dame trat ein, sehr fesch und teuer gekleidet, und offenbar unter großer Nervosität leidend.
    «Guten Morgen», sagte sie. «Meine Mutter fühlt sich nicht wohl und liegt noch im Bett; Sie müssen mit mir vorlieb nehmen.»
    «Oh, da bin ich zu recht ungelegener Zeit gekommen!»
    «Nein, nein. Die Köchin schreibt das Rezept eben ab. Wohnen Sie bei Miss Percehouse?»
    Emily dachte, innerlich lächelnd, dass dies bestimmt das einzige Haus in Sittaford war, dessen Bewohner nicht ganz genau wussten, wer sie war und weshalb sie sich hier oben aufhielt.
    «Nein, ich wohne bei Mrs Curtis.»
    «Natürlich, da Ronnie Garfield bei seiner Tante zu Besuch ist, wäre nicht genug Platz für Sie da. Miss Percehouse ist ein prachtvoller Mensch, nicht wahr? Eine unglaubliche Willenskraft in einem siechen Körper – aber ich habe ein klein bisschen Angst vor ihr.»
    «Sie ist ein Drache, behauptet Ronnie», lachte Emily fröhlich.
    «Aber man gerät leicht in die Versuchung, ein Drache zu sein, wenn niemand sich dagegen zur Wehr setzt.»
    Miss Willett seufzte.
    «Ach, ich wollte, ich könnte mich auch besser zur Wehr setzen», klagte sie. «Dann hätte ich mich nicht so lange von den Reportern quälen lassen. Man konnte sie heute nicht loswerden.»
    «Ah, richtig, Sie wohnen ja in Captain Trevelyans Haus – der Mann, der in Exhampton ermordet wurde.»
    Emily hoffte, mit dieser Gesprächswendung Violet Willetts Nervosität auf den Grund zu kommen. Irgendeine Angst quälte das Mädchen – doch ob sie mit dem Mord zusammenhing?
    «Ein furchtbares Ende, nicht wahr?»
    «Miss Willett, erzählen Sie mir doch – das heißt, wenn es Ihnen nicht widerstrebt, darüber zu sprechen…»
    «Nein… nein… durchaus nicht… weshalb sollte es das?»
    Mein Gott, sie weiß ja gar nicht mehr, was sie sagt! stellte Emily Trefusis fest. «… von dem Tischrücken», vollendete sie dann laut ihren Satz. «Irgendjemand erwähnte den seltsamen Vorfall, und ich finde ihn so herrlich gruselig.»
    «Herrlich? Nein, es war grauenhaft, als wir die Lichter andrehten und alle Anwesenden so verstört dreinschauten. Nur Mr Duke und Major Burnaby bewahrten die Ruhe. Aber Major Burnaby doch nur scheinbar, denn sonst hätte er sich nicht nach Exhampton aufgemacht, und als er fortgegangen war, wurde bei uns Zurückgebliebenen die Beklemmung noch größer. Und dann erreichte uns gestern Abend, nein, gestern Morgen, die Nachricht von dem Mord.»
    «Es muss richtig spukhaft gewesen sein», wisperte Emily, als sei auch sie jetzt von Grauen gepackt worden. «Meinen Sie, dass Captain Trevelyans Geist zu Ihnen gesprochen hat? Oder meinen Sie, es ist Hellsehen oder Telepathie gewesen?»
    «Ich weiß es nicht. Oh, nie, nie wieder werde ich über solche Dinge spotten! Nie…!»
    Das Hausmädchen brachte ein zusammengefaltetes Papier auf einem Silbertablett.
    «So, da ist das Rezept», sagte Violet, indem sie das Blatt ihrem Besuch reichte. «Übrigens sind Sie insofern noch gerade zur rechten Zeit gekommen, als die Köchin mit den anderen Mädchen uns heute verlässt. Gemurrt haben sie schon früher, dass es zu einsam sei, aber der Mord hat sie ganz verrückt gemacht, so dass Mama gestern Abend der Geduldsfaden riss und sie ihnen befahl, ihre Habseligkeiten zu packen. Statt ihrer werden wir uns mit zwei Dienern behelfen, die sich hoffentlich nicht vor diesem Haus graulen.»
    «Finden Sie das Leben hier nicht auch bisweilen langweilig und trostlos?»
    «Ganz und gar nicht. Ich liebe das Land», beteuerte Violet, wobei sie Emilys Augen auswich.
    «Jetzt will ich Sie nicht länger stören, Miss Willett. Im Namen von Miss Percehouse danke ich Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit und wünsche Ihrer Frau Mutter gute Besserung.»
    «Oh, sie ist nicht ernstlich krank. Nur die Aufregung wegen der Dienstboten und

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