Das Geheimnis von Sittaford
Typ Mann, ganz abgesehen davon, dass er einen Mörder abgäbe – fortwährend bei Buchmachern rumhängend, fortwährend Geld verlierend. Es ist ein Jammer, dass er ein so gutes Alibi hat. Mr Dacres erzählte es mir. Ein Verleger und ein literarisches Dinner – kann man sich etwas Vertrauenswürdigeres denken?»
«Ein literarisches Dinner», wiederholte Enderby. «Freitagabend. Martin Dering – halt, mal nachdenken… Martin Dering… Ja, ich bin meiner Sache beinahe sicher, aber um jeden Zweifel auszuräumen, könnte ich doch Carruther telegrafieren.»
«Wovon faseln Sie eigentlich?», erkundigte sich Emily.
«Hören Sie! Sie wissen, dass ich Freitagabend in Exhampton eintraf. Vorher wollte ich gern noch eine kleine Auskunft von einem Kollegen haben, und wir verabredeten, dass er, der zu irgendeinem literarischen Dinner musste, mich, wenn möglich, zuvor aufsuchen sollte. Nun, er schaffte es nicht mehr und schrieb mir deshalb nach Exhampton.»
«Was hat denn das mit Dering zu tun?»
«Nur ein wenig Geduld! Der gute Junge war ziemlich voll des süßen Weines, als er mir schrieb, und nachdem er mir die erbetene Mitteilung gemacht hatte, bedachte er mich mit einer saftigen Beschreibung des Dinners. Über die Tischreden, und was für Esel ein berühmter Romanschriftsteller und ein noch berühmterer Dramendichter im Grunde eigentlich wären und dergleichen mehr. Außerdem schimpfte er wie ein Rohrspatz, dass er einen abscheulichen Platz bei Tisch erwischt hätte. Rechts neben ihm, wo Ruby MacAlmott, die bekannte Journalistin, hätte sitzen sollen, wäre der Platz frei geblieben, und gleichfalls zu seiner Linken, wo Martin Dering gefehlt hätte. So wäre Carruther schließlich neben einen sehr beliebten Lyriker gerückt, um sich unterhalten zu können. Begreifen Sie nun, worauf ich hinaus will?»
«Charles! Sie lieber Kerl!» Emily wurde zärtlich vor Erregung. «Wie herrlich! Dann hat das Scheusal an dem Dinner gar nicht teilgenommen?»
«Nein. Aber um ganz sicher zu gehen, kann ich jederzeit Carruther telegrafieren, obwohl ich beinahe beschwören möchte, dass ich mich nicht im Namen irre.»
«Dann bliebe allerdings immer noch der Verleger, mit dem Dering den Nachmittag verbrachte. Aber ich vermute, es wird ein Verleger gewesen sein, dessen Abreise nach Amerika kurz bevorstand. Verstehen Sie mich, Charles? Einen Amerikaner, der auf dem Ozean schwimmt, kann man nicht so leicht befragen!»
«Sie glauben, wir sind auf der richtigen Fährte?»
«So sieht’s aus. Mir scheint es das Beste, schnurstracks zu jenem netten Inspektor Narracott zu gehen, um ihm diese neuesten Tatsachen zu unterbreiten. Einen amerikanischen Verleger unter den Passagieren der Mauretania oder Berengaria herauszuangeln – mein Lieber, das ist Sache der Polizei!»
«Mein Wort, wenn sich das bewahrheiten sollte, kann der Daily Wire mir nicht weniger anbieten als…»
Doch grausam riss Emily ihn aus seinen Träumen von Beförderung und Ruhm.
«Auf keinen Fall dürfen wir darüber den Kopf verlieren und alles andere vernachlässigen», sagte sie. «Ich muss nach Exeter fahren, von wo ich kaum vor morgen zurückkehren werde. Inzwischen habe ich aber eine Aufgabe für Sie.»
«Was für eine Aufgabe?»
Sie beschrieb ihm ihren Besuch bei den Willetts und den seltsamen Satz, den sie mitbekommen hatte.
«Wir müssen unbedingt herausfinden, was sich heute Nacht ereignen wird», setzte sie energisch hinzu, «unbedingt, Charles! Es liegt etwas in der Luft.»
«Donnerwetter, wie aufregend!»
«Nicht wahr? Natürlich kann es auch ein Zufall sein – doch beachten Sie eins: Man hat sämtliche Dienstboten aus dem Weg geschafft. Irgendetwas bringt diese heutige Nacht, und daher werden Sie Posten stehen, um auszukundschaften, was es ist.»
«Was? Soll ich die ganze Nacht vor Kälte bibbernd unter einem Busch im Garten kauern?»
«Schreckt Sie das ab? Journalisten pflegen doch um einer guten Story willen derartige Unbequemlichkeiten gering zu achten!»
«Wer hat Ihnen denn das gesagt?»
«Wer – das tut nichts zur Sache. Also – wollen Sie?»
«Meine liebe Kusine, mir wird heute Nacht nichts entgehen», versetzte Charles Enderby feierlich. «Wenn etwas in Sittaford House passiert, ist der tüchtige Korrespondent des Daily Wire dabei.»
Nun hielt Emily ihn für würdig, auch noch den seltsamen Widerspruch zu erfahren, der zwischen Mrs Willetts Erzählungen und dem Zeugnis klaffte, das der bunte Kofferzettel ablegte.
«Donnerwetter!» stieß
Weitere Kostenlose Bücher