Das Geheimnis von Turtle Bay
anderen Seite des Glastischs Platz nahm.
Der Mann trug maßgeschneiderte Bermudashorts und darüber ein Seidenhemd. Er war barfüßig und tiefbraun, was aber weniger auf Sonnenbräune als vielmehr auf seine lateinamerikanische Herkunft zurückzuführen war. Seine Hakennase hatte etwas Italienisches an sich, und seine engen, tief liegenden Augen erinnerten an einen Falken. Verdugo plauderte über dies und das, erkundigte sich höflich nach Coles Arbeit, und war dabei so freundlich und umgänglich, dass Cole sich selbst daran erinnern musste, dem Kerl mit einer gesunden Portion Argwohn zu begegnen. Er fragte sich, ob der Casinobetreiber die Zwillinge beschattet hatte und von dem Bericht wusste, den sie in Kürze vorlegen wollten, doch ihm kam nichts in den Sinn, wie er dieses Thema anschneiden konnte, ohne gleichzeitig seine wahren Absichten zu verraten. Vermutlich war er nur über alle Maßen misstrauisch, weil sich bei ihm so schnell und so verdammt intensiv Gefühle für Briana geregt hatten.
Nach dem ersten Schluck schwenkte er wiederholt sein Glas Scotch und aß vom Popcorn, während er sich zwingen musste, nicht immer wieder die hübsche Holztäfelung des Flügels zu bewundern. Von hier betrachtet sah es wie mexikanisches Cocobolo-Holz aus, an das man nur schwer herankam. Angesichts Verdugos Reichtum – und angesichts des Vermögens, das er zusätzlich einstreichen würde, wenn es ihm gelang, im Südwesten Floridas mit einem Casino-Boot Fuß zu fassen – gelangte Cole zu der Erkenntnis, dass der Mann sich niemals an einem unliebsamen Menschen die Finger schmutzig machen würde, sondern die Drecksarbeit von seinen Männern erledigen ließ.
„Wissen Sie, ich würde mir gern den Salon auf Ihrem Boot erst mal ansehen, bevor ich Ihr Angebot annehme“ , sagte er zu Verdugo, da der Mann inzwischen über Coles Arbeit so sprach, als sei alles längst beschlossen.
„Geld ist für mich kein Thema.“
Cole musste schlucken, als er das hörte. „Aber dass ich für Sie exzellente Arbeit liefern soll, ist für mich ein Thema. Ich sehe allein schon hier, wie erlesen Ihr Geschmack ist.“
„Von allem nur das Beste“ , bestätigte Verdugo und hob sein Glas, als prostete er Cole zu. „Und genau das werden meine Fun’n’Sun -Casinokreuzfahrten für diese Region bringen: gute Jobs, die besten neuen Restaurants und die teuersten Geschäfte, und natürlich noch mehr Luxusyachten, die mit exotischen Hölzern vertäfelt werden wollen, nicht wahr? Unsere Kritiker bezeichnen meine schwimmenden Casinos als ‚Kreuzfahrten ins Nirgendwo’, aber das sehe ich anders. Wir geben dem Kunden alles, was er haben will: Würfel, Blackjack, einarmige Banditen, Alkohol, Live-Unterhaltung, Spaß und Vergnügen. Das sind keine Kreuzfahrten ins Nirgendwo, sondern Kreuzfahrten, bei denen jeder auf seine Kosten kommt.“
Kreuzfahrten ins Nirgendwo … alles was der Kunde haben will . Die Worte blieben Cole im Gedächtnis, während er sich einverstanden erklärte, am Montag nach Miami zu fahren, um sich den Salon anzusehen und dann zu entscheiden, ob er den Auftrag annahm oder nicht. Wenn Dom Verdugo seinen Kunden alles geben konnte, was sie haben wollten, dann gab es für seine eigenen Wünsche sicher auch keine Grenzen. Cole fragte sich, wie wichtig es dem Mann war, ein Erscheinen des Umweltberichts zu verhindern.
Er würde Bree gegenüber nichts davon erwähnen, doch dass Daria und die Mermaids II immer noch als vermisst galten, obwohl sie es trotz des Unwetters in einen sicheren Hafen hätte schaffen müssen, ließ ihn mit dem Schlimmsten rechnen. Falls er den Auftrag annahm, würde er Augen und Ohren offenhalten, wenn Verdugo in der Nähe war.
Als er an seinem Wagen ankam, sah er, dass bei Bree noch Licht brannte. Ihr Besuch war inzwischen sicher gegangen. Er legte die Arme aufs Wagendach und ließ den Blick über die Segel- und Motorboote schweifen, die auf den seichten Wellen sanft schaukelten. Ein stolzer Einmaster lief soeben aus und passierte die beleuchteten Bojen, nach einer Weile verschluckte die Schwärze des Golfs die Bug- und Hecklampen.
Cole schüttelte sich unwillkürlich. Hatte Daria Devon eine Kreuzfahrt ins Nirgendwo unternommen?
Es war fast halb zehn, als Amelia hörte, wie Ben den Wagen in die Garage fuhr. Sie kam ihm im Nachthemd entgegen, als er durch die Waschküche das Haus betrat. „Sie ist nicht mitgekommen“ , stellte sie fest. „Ich wusste, sie würde nicht bei mir übernachten wollen. Nicht mal
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