Das Geheimnis von Turtle Bay
Mittelpunkt des Universums für Hand gefertigte Holzboote. Da das Fischen mit Schleppnetzen inzwischen verboten war, würden seine Slups reine Freizeitboote sein. Seit Jahren hatte er viel zu viel von seinem Geld zum Fenster rausgeworfen, nur um die immensen Spielschulden abzuzahlen, die seine Mutter ihm hinterlassen hatte.
„Okay, Sie können jetzt an Bord kommen“ , rief der erste Wachmann ihm zu, der an der Mahagoni-Reling des Hauptdecks aufgetaucht war. „Mr Verdugo lädt Sie auf einen Drink ein.“
Der andere, schweigsame Mann gab ihm ein Zeichen, und als Cole die Gangway hinaufging, hörte er irgendwo auf dem hinteren Teil des Boots eine weinerliche Frauenstimme. Er hatte schon größere und luxuriösere Yachten gesehen, allerdings nicht in Turtle Bay. Die Xanada hob sich von den anderen Booten im Hafen so deutlich ab wie ein manikürter Daumen an einer schmutzigen Hand.
Er betrat den in ein goldenes Licht getauchten Salon und erkannte Verdugo sofort, denn sein Gesicht war ihm von diversen Fotos in den Tageszeitungen durchaus vertraut. Irgendwie hatte man es auf diesen Fotos aber geschafft – womöglich absichtlich? –, einen anderen Eindruck von seiner Statur zu erwecken. Der wahre Verdugo, der sich jenseits der fünfzig bewegte, war ein kleiner stämmiger Mann, der ihm einen recht kurzen Arm entgegenstreckte, um ihn zu begrüßen. „Wie ich hörte, sind Sie der Held der Stunde, DeRoca.“
„Beziehen Sie sich auf die Nachrichten oder auf meinen Ruf als Schiffsausstatter?“
Er folgte seinem Gastgeber in einen Raum, der größer war als die meisten normalen Wohnzimmer an Land. Um einen Glastisch herum stand eine hufeisenförmige Couch bezogen mit elfenbeinfarbenem Leder, über einem Flügel hingen zwei Gemälde, bei denen es sich um echte Picassos zu handeln schien. Die Bilder, ein paar verstreute Kissen und ein in die Wand eingelassenes Aquarium waren die einzigen bunten Tupfer in einer Umgebung, die von den Farben Ekrü und Weiß sowie von ein paar Akzenten in Metall bestimmt wurde. Ein Teppich dämpfte ihre Schritte, und von allen Seiten war leise Musik zu hören, vermutlich ein Stück aus einer Oper.
„Natürlich meine ich diese Frau, die Sie gerettet haben. Was habe ich gehört, was sie noch gleich war? Ach ja, Umweltfotografin“ , sagte Verdugo mit von Natur aus schroffer Stimme, aber ohne ausländischen Akzent, den Cole eigentlich erwartet hatte. „Gibt es schon etwas Neues von ihrer Schwester oder dem Boot?“
„Leider nicht“ , antwortete er, wobei ihm nicht entging, dass Verdugo zweimal gesagt hatte, er habe von etwas ‚gehört’. Es klang so, als würde er sich seine Informationen von anderen zutragen lassen. Hielt er sich durchs Fernsehen auf dem Laufenden, oder erledigten das seine Lakaien für ihn? Oder verfügte er über andere Quellen, die ihm aus erster Hand Informationen zukommen ließen?
„Ich hätte meine Yacht zur Verfügung gestellt, aber ich wollte nicht den offiziellen Suchmannschaften in die Quere kommen. Das Unwetter muss das Boot zum Kentern gebracht haben. O Mann, können Sie sich das vorstellen? Da steigen Sie zu einem routinemäßigen Tauchgang ab, und wenn Sie wieder nach oben kommen, sind Sie auf einmal mutterseelenallein im Wasser! Ist ein Scotch recht? Pur oder auf Eis?“
„Mit Eis wäre gut.“ Cole wollte ihn fragen, woher er wusste, warum die Zwillinge rausgefahren waren, denn davon war seines Wissens in den Nachrichten nicht die Rede gewesen, doch in dem Moment zeigte Verdugo auf eine große metallene Schüssel und redete weiter.
„Nehmen Sie etwas Popcorn dazu. Die Leute halten mich für verrückt, aber Scotch und Popcorn passen hervorragend zusammen. Ich liebe dieses Zeugs.“ Er grinste Cole an und zeigte seine makellosen – und wahrscheinlich künstlichen – Zähne, dann warf er ein Popcorn in die Luft und fing es mit dem Mund auf.
„Also“ , fuhr er fort und stellte sich hinter eine Bar aus Metall und weißem Leder, um die Drinks einzuschenken, „ich nehme an, Sie haben sich entschlossen, die Vertäfelung auf meinem Casino-Boot zu übernehmen, sonst wären Sie wohl nicht hergekommen, oder?“
„Ich bin hergekommen, um mit Ihnen über die Einzelheiten zu sprechen.“
„Na gut“ , sagte Verdugo und zeigte abermals auf die Schüssel Popcorn, während er die Drinks zur Couch trug. Cole beugte sich vor, nahm eine Handvoll Popcorn heraus und aß davon. Er musterte Dom Verdugo aufmerksam, als der ihm sein Glas reichte und dann auf der
Weitere Kostenlose Bücher