Das Geheimnis von Vennhues
warf einen Blick auf den vorläufigen Tatortbefundbericht, den Christian Möller ihm zuvor aufs Pult gelegt hatte.
»Überprüf bitte, ob die Schuhgröße mit der von Peter Bodenstein übereinstimmt. Ansonsten heißt es wohl erst einmal abwarten.«
Er wandte sich an Heike Holthausen.
»Wie ist der Stand der Fahndung?«
»Bodenstein ist wie vom Erdboden verschluckt«, sagte sie. »Gestern Nacht sind wir erfolglos geblieben. Vorerst ist ihm die Flucht gelungen. Gerade eben kam jedoch die Meldung herein, dass er in Enschede gesehen worden sein soll. Die Kollegen vor Ort kümmern sich darum, aber es wäre nicht schlecht, wenn sich einer von uns einmal der Sache annähme. Der Dienststellenleiter in Enschede heißt Eric ten Hoeve, und er bittet um Rückruf. Vielleicht kann ja sogar einer mal rüberfahren. Wäre bestimmt nicht schlecht.«
Hambrock blickte auf der Suche nach einem Freiwilligen in die Runde und bemerkte, wie Philipp Häuser erwartungsvoll die Hand hob. Einem Gefühl folgend überging er ihn und deutete eilig auf Melanie Potthoff.
»Fahr du rüber, Melanie, und setz dich mit dem Kollegen auseinander.«
Hambrock wusste, dass die Zusammenarbeit der grenznahen Polizeiwachen in jüngster Zeit reibungslos funktionierte, es herrschte beiderseits der Grenze eine gute Stimmung und ein hohes Maß an Respekt und Wohlwollen. Hambrock wollte einfach sichergehen, dass dieses besondere Verhältnis keinerlei Trübung erfuhr. Philipp sollte sich besser um etwas anderes kümmern.
»Was sagt denn die Rechtsmedizin?«, fragte er als Nächstes. »Der Bericht ist noch nicht da, oder irre ich mich?«
»Kommt morgen«, sagte Heike. »Christian wird später bei der Leichenöffnung dabei sein. Vorerst ist die Todesursache Tod durch Verbluten. Es sind fünfundzwanzig Einstiche gezählt worden. Der Täter hat auf das Opfer eingestochen, bis sich nichts mehr gerührt hat.«
»Die hohe Anzahl der Stiche könnte auch eine sexuelle Komponente haben«, warf ein anderer Kollege ein. »Zumal die Verletzungen im Analbereich darauf hindeuten.«
»Das ist richtig«, sagte Hambrock. »Dennoch würde ich sagen, wir warten den Bericht erst einmal ab.«
»Tatverdächtiger ist also Peter Bodenstein«, sagte Christian Möller. »Doch wissen wir überhaupt etwas über die vordeliktische Beziehung zwischen ihm und Timo Große Dahlhaus?«
»Bislang noch nicht sehr viel«, sagte Hambrock. »Klemens Große Dahlhaus, der Vater des Toten, soll seinem Sohn den Umgang mit Peter Bodenstein verboten haben. Zumindest wird das in Vennhues gemunkelt. Klemens selbst ist momentan nicht vernehmungsfähig. Was es mit dieser Geschichte auf sich hat, müssen wir also noch herausfinden. Ich möchte, dass heute zwei Teams nach Vennhues fahren. Versuchen wir, mehr über den Hintergrund dieser Beziehung herauszufinden. Außerdem sollen alle Dorfbewohner zu ihren Beobachtungen in der vergangenen Nacht befragt werden. Es gab ein Treffen der Schützenbrüderschaft, und halb Vennhues war auf den Beinen. Irgendwer muss also etwas gesehen haben.«
Er schob seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
»Auch wenn momentan vieles auf Peter Bodenstein hindeutet, erwarte ich trotzdem, dass die Ermittlungen ergebnisoffen geführt werden. Wir wissen nicht, wer der Mörder von Timo ist, und das heißt: Ermittlungen in alle Richtungen.«
»Der Junge hatte eine Freundin«, sagte Heike und warf einen Blick in ihr Notizbuch. »Vielleicht sollten wir bei der anfangen.«
»Ach ja?« Hambrock hatte noch nichts von einer Freundin gehört. »Wer ist das denn?«
»Jennifer Osterholt.«
Er starrte Heike ungläubig an.
»Jennifer Osterholt? Bist du dir ganz sicher?«
»Natürlich. Was ist das Problem?«
Augenblicklich begann ein Zweifel in Hambrock zu keimen. Vielleicht war die Geschichte doch viel komplizierter, als sie glaubten, und Peter war tatsächlich unschuldig.
»Das ist nun wirklich interessant«, sagte er. »Jennifer Osterholt also.«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen«, sagte Heike.
Hambrock richtete sich auf. »Habt ihr euch inzwischen mit dem Mordfall Willem van der Kraacht vertraut gemacht?«, fragte er.
Verhaltenes Gemurmel. Hambrock deutete es als Zustimmung.
»Die Eltern von Jennifer heißen Norbert und Annette Osterholt«, sagte er. »Annette Osterholt wiederum ist eine geborene Reckenfeld. Sie bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann den ehemaligen Hof Reckenfeld, für den es keinen männlichen Erben gegeben hatte. Früher war der Hof im Besitz
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