Das Geheimnis von Vennhues
Meine Mutter würde sich freuen, dich mal wieder zu sehen. Zum Mittagessen bin ich zurück, und vielleicht können wir nach der Friedhofsandacht noch nach Holland fahren und dort in Ruhe einen Kaffee trinken. Was hältst du davon?«
Sie überlegte kurz, dann willigte sie ein.
»Also gut. Fahren wir nach Vennhues.«
Sie nahmen einen der Dienstwagen aus dem Fuhrpark, einen nagelneuen Opel Astra, und verließen gemeinsam mit Heike Holthausen die Stadt in Richtung Vennhues. Im Wagen herrschte Schweigen, und Hambrock war während der Fahrt unbehaglich zumute. Zwar saß Elli zufrieden auf dem Rücksitz und betrachtete die Landschaft. Heike dagegen schien sich über die Wortkargheit ihres Chefs zu wundern. Sie versuchte die Gelegenheit zu nutzen, um die Befragung der Osterholts vorzubereiten, doch Hambrock gab sich seltsam einsilbig.
In Gegenwart von Erlend zeigte er sich nicht gerne in der Funktion des Kommissionsleiters. Irgendwie mochte er es nicht, wenn seine Frau ihn in der Rolle des Chefs erlebte. Er hatte dann stets das Gefühl, dass sie sich still über ihn amüsierte. Daher war er froh, als er sie schließlich auf dem Hof seiner Eltern absetzen und allein mit Heike zu den Osterholts weiterfahren konnte.
Deren Hof lag ein wenig abseits. Hambrock war seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass sich in der Zwischenzeit einiges verändert hatte. Das alte Bauernhaus und die umliegenden Wirtschaftsgebäude waren allesamt liebevoll restauriert worden. Dennoch dominierten zwei riesige Mastställe und eine Biogasanlage das Bild. Die modernen Gebäude versperrten zudem den Blick auf die Straße und die dahinter liegenden Wälder.
Hambrock parkte den Astra neben einem Mercedes und einem dunklen Jeep, dessen Kotflügel mit Schlamm bedeckt waren. Dann stiegen er und Heike aus und steuerten auf den Hauseingang zu. Hinter einem Jägerzaun lag ein ordentlicher Vorgarten mit akkurat geschnittenem Rasen und symmetrisch angeordneten Bodenpflanzen. Elli hatte ihm einmal erzählt, dass es in den Niederlanden einen eigenen Begriff gab für deutsche Vorgärten. An das genaue Wort konnte er sich nicht mehr erinnern, doch übersetzt hieß es so viel wie »Staubsaugergärten«. Das war nicht sehr nett, doch in gewisser Weise traf es zu.
Noch bevor Heike die Klingel drücken konnte, wurde die Haustür von innen aufgerissen, und ein Teenager stürmte heraus. Es war ein Mädchen mit langen Haaren und einem für die Jahreszeit viel zu knappen Pullover. Es hätte Hambrock fast umgerannt, doch das schien dem Mädchen egal zu sein. Die Halbwüchsige interessierte sich nicht für die fremden Leute, die vor der Haustür aufgetaucht waren.
»Ich hasse dich!«, brüllte sie ins Haus hinein. »Du bist doch froh, dass er tot ist! Jetzt bist du ihn los! Für dich ist das ein Freudentag! Du Arschloch!«
Sie warf die Tür donnernd ins Schloss, stieß Hambrock zur Seite und lief den Weg hinunter.
Die Tür wurde erneut aufgerissen, und Norbert Osterholt tauchte mit wutentbrannter Miene auf. Offenbar wollte er seiner Tochter etwas hinterherrufen, doch da entdeckte er die beiden Beamten und überlegte es sich anders.
»Bernhard«, sagte er erstaunt. »Du bist schon hier? Ich habe so früh gar nicht mit dir gerechnet.«
»Hallo, Norbert. Auf der Bundesstraße gab es kaum Verkehr. Wir sind gut durchgekommen.«
Er deutete zu dem Mädchen, das sich fluchend und mit wütenden Schritten vom Haus entfernte. »War das deine Tochter?«
Mit einem Seufzer nickte er und bat die beiden Kommissare ins Haus.
»Man hat es schwer mit Kindern in dem Alter. Sie sind impulsiv und steigern sich in alles ganz furchtbar hinein.«
»Mag sein«, sagte Hambrock.
»Hast du denn keine Kinder?«
Hambrock zögerte. Es war nun schon das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass ihn jemand darauf ansprach. Doch diese Sache ging niemanden etwas an. Am allerwenigsten Norbert Osterholt.
»Nein«, sagte er. »Ich habe keine Kinder.«
Norbert nahm ihnen die Mäntel ab und führte sie ins Wohnzimmer. Das Haus war ähnlich rein und makellos wie der Hof, über den sie gekommen waren. Vor allem die kunstvoll gefertigten Bauernmöbel erregten Hambrocks Aufmerksamkeit. Sie mussten ein Vermögen gekostet haben. Heike und er setzten sich an den Wohnzimmertisch, der mit teurem Porzellan eingedeckt war, und Norbert schenkte ihnen Kaffee ein.
»Einen sehr schönen Hof haben Sie, Herr Osterholt«, sagte Heike Holthausen. »Die Geschäfte
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