Das Geheimnis von Vennhues
würden. Offenbar hat sie ihm dort eine Falle gestellt. Sie muss davon überzeugt gewesen sein, dass Norbert Osterholt der Mörder ihres Sohnes ist. Anders ist diese Tat kaum zu erklären.«
Hambrock sah sie nachdenklich an.
»Doch was hat ihr diese Gewissheit gegeben?«, fragte er.
Heike räusperte sich. »Ich habe noch etwas anderes von Annette Osterholt erfahren«, sagte sie zögernd. »Etwas, das sich auf den ersten Mord von 1982 bezieht. Damals hatte man im Dorf hinter vorgehaltener Hand Verdächtigungen ausgesprochen. In den Tagen bevor das Messer gefunden und Peter Bodenstein zum Hauptverdächtigen wurde. Es herrschte große Unruhe im Dorf, und natürlich überlegten die Leute, wer aus ihrer Mitte einen Vorteil aus dem Mord schlagen würde. In diesem Zusammenhang wurde wohl auch Norbert Osterholt verdächtigt, Willem van der Kraacht ermordet zu haben. Er hätte es getan haben können, um sich an Kai van der Kraacht zu rächen, weil der auf dem Hof der Reckenfelds saß. Um die Familie aus Rache zu zerstören.«
Hambrock war völlig perplex.
»Aber davon habe ich nie etwas gehört«, sagte er. »Und es stand auch nichts davon in den Polizeiberichten.«
»Wundert dich das wirklich?«, fragte Heike kleinlaut.
Hambrock sah sie verständnislos an.
»Ich meine, es ist doch heute ganz ähnlich«, sagte sie. »Norbert Osterholt hatte ein Motiv, um Timo zu ermorden, und wir erfahren von niemandem etwas. Nur das Mädchen hat mit uns darüber gesprochen. Alle anderen Vennhueser haben geschwiegen, und das, obwohl sie allesamt die Geschichte kannten. Nach außen geben sie sich wortkarg. Da pickt eine Krähe einer anderen kein Auge aus. Hinter den Fassaden aber sieht es ganz anders aus.«
Aber ich bin doch auch einer von ihnen!, hätte Hambrock am liebsten erwidert. Ich bewege mich hinter den Fassaden, wie jeder andere Vennhueser.
Aber stimmte das wirklich? Er war bereits vor vielen Jahren fortgegangen, und seine Besuche waren sehr spärlich ausgefallen. War er nicht inzwischen ebenfalls zu einem Fremden geworden?
Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Gertrud hat vor dem Fenster gestanden, als wir Jennifer befragten. Bei Hermann Esking am Dorfplatz. Sie hat gehört, wie das Mädchen seinen Vater schwer belastet hat. Vielleicht war das die Grundlage ihres Verdachtes.«
Niemand sagte etwas, bis Heike erneut die Stille unterbrach.
»Aber glaubst du, das reicht?«, fragte sie. »Überleg mal, was Jennifer gesagt hat. Denkst du, das genügt als Grundlage für solch eine Tat?« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt Geheimnisse in Vennhues, über die niemand mit uns redet. Auch nicht mit dir, Hambrock.«
»Also gut«, meinte er schließlich. »Warten wir ab, was die Vernehmung von Gertrud Große Dahlhaus ergibt. Bis dahin haben Spekulationen wenig Sinn. Wenn sie vernehmungsfähig ist, dann wird sie uns schon sagen, was ihre Beweggründe waren. Ihr habt doch den ganzen Tag Befragungen geführt. Hat denn niemand den Namen Norbert Osterholt fallen lassen?«
Im Besprechungsraum herrschte betretenes Schweigen. Keiner blickte ihn an, alle sahen ins Nichts. Ein Kollege räusperte sich, doch als er bemerkte, dass ihn daraufhin alle ansahen, wandte er sich eilig ab, griff nach der Thermoskanne und goss sich einen Kaffee ein.
»Gab es denn noch andere Ergebnisse?«, hakte Hambrock nach. »Irgendetwas Ungewöhnliches, über das wir noch nicht geredet haben? Oder eine Zeugenaussage, die eine Spur begründen könnte?«
Doch nichts. Es hatte keinen Sinn.
»Jemandem muss doch etwas aufgefallen sein am Tatabend!« Hambrock wollte einen Witz machen und fügte hinzu: »Ich hatte gehofft, morgen früh bei der Staatsanwältin eine gute Figur machen zu können. Doch daraus wird wohl nichts.« Es lachte jedoch keiner, und er räumte missmutig seine Unterlagen zusammen.
»Ich habe mit dem Pastor gesprochen«, sagte Christian Möller. »Er lebt nicht in Vennhues, sondern verwaltet die Gemeinde nur unter mehreren.«
Hambrock sah ihn erstaunt an. »Und weiter?«
»Er konnte nicht viel sagen, glaubte jedoch in den Tagen vor dem Mord ein fremdes Auto in Vennhues gesehen zu haben. Ein Auto, das nicht dorthin gehörte.« Er verzog die Miene. »Für das Gespräch mit der Staatsanwältin ist das wohl auch nichts.«
Doch Hambrocks Aufmerksamkeit war geweckt.
»Ein fremdes Auto, sagst du?«
Möller hatte nicht mit diesem Interesse gerechnet.
»Ja. Auf dem Parkplatz neben der Kirche. Aber das ist nichts Ungewöhnliches, denke ich mir. Das
Weitere Kostenlose Bücher