Das Geheimnis von Vennhues
und blätterte sich durch die vergilbten Seiten aus den frühen Achtzigern.
Er las das Befragungsprotokoll von Aenne Brook, obwohl er den Inhalt bereits kannte. Sie hatte ein fremdes Auto in Vennhues beobachtet, und das in einer Zeit, in der es noch keinen Tourismus im Moor gab. Aenne Brook war überzeugt gewesen, dass dieser Fremde etwas mit dem Mord zu tun gehabt hatte. Ihre gesamte Aussage las sich, als hätte sie nicht den geringsten Verdacht gegen Bodenstein gehegt.
Hambrock blätterte zurück zum Datumsvermerk. Die Befragung war geführt worden, bevor man das Tatwerkzeug gefunden hatte.
Er überlegte. Wäre es denkbar, dass der Täter sowohl damals wie auch heute das Messer aus dem Haus von Werner Bodenstein gestohlen hatte, um den Verdacht auf Peter zu lenken? Und wenn ja, wer käme dann als Dieb in Frage?
Er zögerte, dann griff er nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer seines ehemaligen Vorgesetzten. Gerhard Bäumer war bereits nach dem zweiten Läuten am Apparat.
»Bernhard!«, begrüßte er ihn, »schön, von dir zu hören. Ich verfolge eure Ermittlungen in der Zeitung. Es ist kaum zu glauben, nicht wahr? Peter Bodenstein hat also wieder zugeschlagen.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach«, meinte Hambrock. »Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass wir mit Peter Bodenstein tatsächlich unseren Täter haben.« Er wusste, dass sein ehemaliger Chef keinen Zweifel an Peters Schuld hatte. Doch Bäumer achtete Hambrocks Meinung und hatte Respekt vor seiner Arbeit, daher widersprach er nicht.
»Was ist es, das dich zweifeln lässt?«, fragte er. »Gehörte das Messer, das ihr am Tatort gefunden habt, dieses Mal nicht in den Besitz von Werner Bodenstein?«
»Doch, schon«, sagte Hambrock. »Aber vergiss mal für eine Weile dieses Messer. Versuch dich stattdessen an die damalige Ermittlung zu erinnern. Ihr habt die Tatwaffe erst zwei Tage nach dem Leichenfund im Wasser gefunden. Bis dahin war Bodenstein nicht der Hauptverdächtige, oder?«
»Vielleicht nicht im Dorf. Für uns war er das aber schon. Die vordeliktische Beziehung und die sexuelle Motivation der Tat waren klare Hinweise.« Bäumer stieß ein kurzes Lachen aus. »Im Dorf hat natürlich niemand darüber gesprochen. Ein grausamer Mord in ihrer Mitte, das war bereits mehr, als sie ertragen konnten. Dass Homosexualität und sexualisierte Gewalt dabei eine Rolle spielten, das wurde von den Vennhuesern ganz einfach ausgeblendet.«
»Dennoch haben sich die Leute auch in den ersten beiden Tagen nach der Tat Gedanken darüber gemacht, wer als Täter in Frage kommen könnte. Wen hatten sie dabei im Visier?«
Bäumer zögerte. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand im Dorf zu dieser Zeit ernsthaft daran geglaubt hat, dass einer von ihnen den Mord begangen haben könnte.«
Ein Lächeln schlich sich in Hambrocks Züge. Im Grunde sprach Bäumer genau aus, was auch er als Junge gedacht hatte. Ein Mord konnte passieren, das wussten alle aus dem Fernsehen und der Zeitung. Doch dass ein Vennhueser solch eine Tat begehen konnte, das war völlig undenkbar.
»Ich habe gehört, dass damals der Name Norbert Osterholt gefallen ist«, sagte er. »Das ist der Mann von …«
»Ich weiß noch, wer Norbert Osterholt ist. Wir haben ihn damals überprüft.« Hambrock hörte den Widerwillen in seiner Stimme. »Doch Osterholt hat den Jungen ebenfalls gemocht. Er hatte ein Problem mit seinem Vater, nicht aber mit ihm. Willem zu ermorden, um Kai eins auszuwischen – das kommt mir doch sehr konstruiert vor.«
»Die Geschichte ist aber noch weitergegangen. Mia hat sich umgebracht, und Kai ist zurück nach Holland gegangen. Der Hof ist letztlich doch noch in Osterholts Besitz übergegangen.«
»Aber war diese Entwicklung im Vorfeld absehbar?« Hambrock musste sich eingestehen, dass diese Theorie tatsächlich wenig überzeugend wirkte.
»Wahrscheinlich nicht.« Hambrock seufzte.
»Da ist noch eine andere Sache«, sagte er dann. »Ich habe die Befragung von Aenne Brook vor mir liegen. Ich weiß nicht, ob du dich auch daran erinnerst. Sie spricht von einem ortsfremden Pkw, den sie vor der Tat beobachtet hat.«
Bäumer stöhnte auf. »Wir haben alles Erdenkliche getan, um diesen gottverdammten Wagen ausfindig zu machen. Doch außer dieser Frau Brook hat ihn niemand gesehen. Unsere Recherchen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Und wenn du mich fragst, dann hat es diesen Wagen niemals gegeben. Ein geheimnisvoller Fremder, der den Mord begangen hat. Das wäre wohl
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