Das Geheimnis von Vennhues
Vennhueser Moor ist ein Naherholungsgebiet. Da sind ständig Auswärtige im Dorf.«
Hambrock schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Es kommt auf die Tageszeit an. Außerdem gibt es in dieser Jahreszeit nicht mehr viel Tourismus in Vennhues.«
Er dachte an das Gespräch mit Aenne Brook. Sie hatte ihm nicht die Wahrheit gesagt, davon war er überzeugt gewesen. Sie wusste genau, was sie vor dreiundzwanzig Jahren ausgesagt hatte. Sie hatte in Vennhues einen fremden Wagen gesehen.
»Vor dem Mord an Willem van der Kraacht gab es ebenfalls einen unbekannten Pkw. Vielleicht ist es ein sinnloses Unterfangen, doch ich möchte, dass alle im Dorf konkret nach diesem Pkw befragt werden. Fühlt ihnen auf den Zahn. Falls dort ein fremdes Auto gewesen ist, dann möchte ich es wissen.«
Die Tür zum Gruppenraum wurde kraftvoll aufgestoßen. Das Türblatt donnerte gegen einen Plastikmülleimer und quetschte ihn an die Wand.
Philipp Häuser kam durch die offene Tür. Dann sah er die Kollegen und zuckte zusammen.
»Huch!«, rief er aus. »Habe ich mich erschreckt!« Dann lachte er. »Sie sind noch alle hier? Die Besprechung sollte doch schon vor Stunden zu Ende sein. Ich bin rein zufällig gekommen, weil ich meine Tasche dort drüben …«
Er bemerkte Hambrocks Gesichtsausdruck, und ihm schien klar zu werden, welchen Eindruck er gerade machte.
»Ich wollte mich natürlich von der Sitzung abmelden«, sagte er schnell. »Ich habe es nämlich nicht mehr rechtzeitig zurück nach Münster geschafft. Ich hab’s bei Ihnen auf dem Handy versucht, Herr Hambrock. Aber Sie haben es abgeschaltet.«
Da sich die Miene seines Chefs nicht im geringsten aufhellte, fügte er eilig hinzu: »Ich habe es nicht geschafft, weil ich gearbeitet habe. Ich hatte ganz einfach viel zu tun. Für unseren Fall, versteht sich …«
»Philipp«, sagte Hambrock trocken. »Waren Sie schon zu Hause in Ihrer WG? Heute ist doch Freitag. Bestimmt gibt es Marihuana im Überfluss.«
Das Gesicht des Praktikanten lief rot an.
»Ich war in Vennhues bei Werner Bodenstein«, sagte er gekränkt. »Herr Möller hat mich hingeschickt – mit dem Messer, das wir neben der Leiche gefunden haben. Und jetzt raten Sie einmal, was dabei herausgekommen ist.«
Hambrock horchte auf. Erwartungsvoll sah er seinen Praktikanten an.
»Das Messer gehört Werner Bodenstein«, sagte er. »Es stammt aus dessen Küche und ist seit dem Tatabend verschwunden.«
21
Das Gespräch mit der Staatsanwältin war für Hambrock alles andere als erfreulich gewesen. Es ließ sich kaum verhehlen, dass sie mit den Ermittlungen wieder am Ausgangspunkt standen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass das Tatwerkzeug aus der Küche von Werner Bodenstein stammte, galt Peter wieder als Hauptverdächtiger. Doch sie hatten nicht den geringsten Hinweis auf seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort. Die niederländische Polizei hatte eine Pension in Enschede ausfindig gemacht, in der Bodenstein in der Nacht seiner Flucht abgestiegen war. Doch nach seiner Abreise verlor sich jede Spur. Die Staatsanwältin hatte ihrer Unzufriedenheit über den Stand der Ermittlungen Luft gemacht, indem sie damit begann, Hambrocks Arbeitsweise zu kritisieren.
»Für meinen Geschmack sind Sie viel zu oft persönlich in Vennhues, Herr Hauptkommissar«, hatte sie gesagt. »Auch wenn Ihr beherzter Einsatz gestern im Moor Schlimmeres verhindert hat, so müssen Sie diese Dinge dennoch delegieren. An Ihrem Arbeitsplatz im Präsidium sind Sie jedenfalls kaum mehr anzutreffen. Ich muss mich doch fragen, ob Ihnen neuerdings die Basisarbeit besser gefällt als die Koordination und die Leitung der Ermittlungen.«
Hambrock hatte die Kritik kommentarlos über sich ergehen lassen. Hinterher stand er am Fenster seines Büros und blickte hinaus in das trübe Novemberwetter.
Er dachte wieder über die neuen Erkenntnisse nach. Die Tatwaffe stammte aus dem Haus von Werner Bodenstein. Im Grunde hatte er zu keinem Moment ernsthaft daran gezweifelt, und doch ernüchterte ihn nun die Deutlichkeit dieses Indizes. Hambrock war noch längst nicht davon überzeugt, dass Peter den Mord begangen hatte. Doch außer ihm gab es momentan keine wirklichen Verdächtigen, sah man von Norbert Osterholt ab.
Mit einem Seufzer wandte er sich vom Fenster ab und setzte sich auf seinen Bürostuhl. Ein dicker Ordner lag auf der Schreibtischplatte. Er hatte Philipp Häuser am Morgen gebeten, ihm nochmals die Akte von Willem van der Kraacht zu bringen. Nun schlug er sie auf
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