Das Geheimnis von Vennhues
erstaunt an. »Wie bitte?«
»Es war Mia«, wiederholte er. »Wenn ich nicht ins Moor gegangen wäre, dann wäre auch nichts passiert. Auf der Wiese hätte ich Gertrud kommen sehen. Sie hätte mich nicht überrumpeln können.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
»Mia hat mich ins Moor gelockt.«
Hambrock runzelte die Stirn. »Aber …?«
»Du weißt, was man sich früher über die Irrlichter erzählt hat, Bernhard?«
Osterholt sah ihm fest in die Augen. »Was die alten Leute gesagt haben, als wir noch Kinder waren?«
Hambrock zögerte. Offenbar war Osterholt doch noch weit davon entfernt, vernehmungsfähig zu sein. Es wäre vielleicht besser, bis zum nächsten Tag zu warten.
»Natürlich weiß ich das«, sagte er. »Früher hat es geheißen, dass diese Lichter die Seelen von Selbstmördern sind. Aber das ist Aberglaube. Tatsächlich ist es Methan, das dieses Licht erzeugt, oder vielleicht auch Phosphorwasserstoff, der …«
»Ich kenne nur einen Menschen in Vennhues, der sich im Moor das Leben genommen hat, Bernhard.«
Osterholt blickte wieder in den stummen Fernseher.
»Mia muss gewusst haben, dass Gertrud mich töten will«, sagte er. »Deshalb hat sie mich ins Moor gelockt.«
»Weshalb sollte sie das getan haben?«, fragte Hambrock vorsichtig.
Er wusste, dass Osterholt für beide Morde ein Motiv hatte. Ein Geständnis unter diesen Umständen hätte später zwar kaum Beweiskraft, dennoch wollte er es versuchen.
»Sie hatte guten Grund dazu.«
»Weil du Willem ermordet hast, Norbert?«
Osterholt schüttelte erschöpft den Kopf.
»Darum geht es doch gar nicht«, sagte er.
»Worum geht es dann?«
»Ich habe sie gehasst. Sie und Kai. Ich habe schlechte Dinge über sie gesagt. Und ich habe aus ihrem Leid Profit geschlagen. Alles gehört jetzt mir. Mias ganzer Besitz. Ich habe jede Erinnerung an sie und ihre Familie vom Hof getilgt.«
Hambrock unterdrückte ein Seufzen. Die Wirkung der Medikamente musste stärker sein, als er geglaubt hatte. Von diesen Überzeugungen würde morgen nicht viel bleiben. Dann sähe wohl alles wieder anders aus.
»Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt ein wenig schläfst«, sagte er. »Ich komme morgen wieder, die Ärzte sagen, dass du dann von uns vernommen werden kannst.«
»Also gut. Dann sehen wir uns morgen.«
Hambrock hatte sich bereits zur Tür gewandt, als Osterholt ihn zurückrief.
»Ich bin kein Mörder, Bernhard«, sagte er. »Das musst du mir glauben.«
Hambrock hatte sich mit einem Nicken verabschiedet und das Zimmer verlassen. In der Krankenhauslobby hatte er dann erfahren, dass Heike bereits wieder auf dem Weg nach Münster war, und er hatte sich auf den Rückweg gemacht.
Nun sah er nachdenklich in die Runde der anwesenden Kollegen.
»Also gut. Fangen wir an«, sagte er und rieb sich die Nasenwurzel. »Zwar ist heute niemand ernsthaft zu Schaden gekommen, dennoch haben wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Es ist mehr als zwanzig Jahre her, dass es so viel Polizeipräsenz in Vennhues gegeben hat wie heute.« Er lächelte freudlos. »Und kaum haben wir das Dorf verlassen, geschieht um ein Haar ein weiteres schweres Verbrechen.«
Heike Holthausen saß auf einem Tisch. Mit dem Rücken lehnte sie an der Wand, und ihre Füße baumelten in der Luft.
»Wie geht es denn Norbert Osterholt?«, fragte sie. »Ich wollte erst noch auf dich warten, aber dann habe ich gedacht, ich fahre schon einmal vor.«
»So weit ganz gut«, sagte Hambrock. »Ich hoffe, dass er morgen früh vernehmungsfähig ist. Eben noch stand er unter dem Einfluss von Medikamenten. Da war eine Befragung unmöglich. Aber was ist mit Gertrud Große Dahlhaus? Hast du von ihr etwas erfahren können?«
»Die Ärzte sagen, sie hat eine akute Nervenkrise. Seit dem Tod ihres Sohnes muss sie unter schwerem Schock gestanden haben. Sie wird wohl kaum als zurechnungsfähig gelten können, so viel ist schon mal sicher. Sie kommt in psychiatrische Betreuung und bleibt erst einmal im Krankenhaus. Die Kinder sind bei Verwandten untergebracht worden.«
»Hat sie sich zu den Beweggründen der Tat geäußert?«, fragte Hambrock. »Hat sie überhaupt irgendetwas gesagt?«
Heike schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich hatte Gelegenheit, mit Annette Osterholt zu sprechen, die ich in der Krankenhauslobby getroffen habe. Sie hat mir erzählt, dass Gertrud Große Dahlhaus Norbert Osterholt unter einem Vorwand zum Moor gelockt hat. Sie hat ihm gesagt, dass Jugendliche auf seiner Weide Unfug treiben
Weitere Kostenlose Bücher