Das Geheimnis von Vennhues
Frau Brook genauso wie allen anderen Vennhuesern am liebsten gewesen.«
Hambrock schwieg, und Bäumer meinte: »Wenn du einen Rat von mir haben möchtest, Bernhard, dann frage dich eines: Wer im Dorf gibt sich am lautesten überzeugt von der Schuld Peter Bodensteins? Denjenigen würde ich mir näher ansehen.«
Nach dem Telefonat brauchte Hambrock nicht lange, um zu entscheiden, was sein nächster Schritt sein sollte. Er erinnerte sich noch gut an den Streit, den er mit Josef Kemper vor dem Haus seiner Eltern gehabt hatte. Und er wusste bereits, wo er Antworten auf seine Fragen bekommen würde.
Dieses Mal würde er sich nicht abwimmeln lassen.
Er erreichte Vennhues um kurz vor ein Uhr. Seine Eltern würden gerade das Mittagessen beendet haben. Er betrat das Haus durch die Waschküche, und als er in die Küche kam, standen die Dessertteller noch auf dem Tisch. Sein Vater saß auf seinem Platz und las die Zeitung, seine Mutter stand an der Spülmaschine und räumte das Geschirr ein.
Als er eintrat, blickten beide überrascht auf.
»Bernhard?«, sagte seine Mutter. »Was machst du denn hier? Warst du gerade in der Nähe?«
Er blieb in der Tür stehen und verschränkte die Arme. Dann atmete er durch und sagte: »Mutter, Vater, ich muss mit euch reden.«
22
Mechthild Hambrock hatte den Küchentisch abgewischt und die Kaffeemaschine in Gang gesetzt. Danach war sie zum Schrank gegangen, um das gute Geschirr zu holen, das sie normalerweise nur an Sonn- und Feiertagen benutzten – oder eben dann, wenn wichtiger Besuch kam. Hambrock wollte lieber nicht darüber nachdenken, was diese Geste zu bedeuten hatte. Aber letztlich spielte es auch keine Rolle, denn er hatte sich fest vorgenommen, sie dieses Mal nicht mit Ausflüchten davonkommen zu lassen.
»Also gut, mein Junge«, sagte Hambrock senior. »Was ist es, das du mit uns besprechen musst?«
Hambrock sah von einem zum anderen.
»Ich möchte mit euch über den September des Jahres zweiundachtzig reden, genauer gesagt über die Tage rund um den sechsundzwanzigsten, an dem Willem im Moor aufgefunden worden ist.«
Seine Eltern wechselten einen Blick.
»Ich war damals zu jung, um zu merken, ob sich etwas zusammengebraut hat. Doch inzwischen bin ich davon überzeugt, dass sich dieses Verbrechen angekündigt hat. Nicht konkret die Tat als solche, denn dann wäre sie verhindert worden. Dennoch lag etwas in der Luft, nicht wahr? Oder um es anders zu formulieren: Die Ordnung in Vennhues war gestört.«
Seine Eltern widersprachen nicht. Offenbar war er auf dem richtigen Weg.
»Nach dem Mord an Willem hat die Polizei zu ermitteln begonnen«, fuhr er fort, »doch erst nachdem man das Messer im Sumpfwasser gefunden hatte, glaubten die Leute im Dorf, dass Peter der Mörder sein könnte. Bis zum Auffinden des Messers gab es jemand anders, der verdächtigt wurde, der Mörder von Willem zu sein.«
Seine Eltern warteten ab. In ihren Tassen erkaltete der Kaffee.
»Norbert Osterholt war damals vierundzwanzig«, sagte Hambrock. »Acht Jahre älter als ich. Er und Annette Reckenfeld wollten in jenem Jahr heiraten. Doch sie hatten keinen Hof, denn Norbert befand sich in der Erbfolge hinter seinem älteren Bruder. Auf dem Hof Reckenfeld wiederum war es Annettes Schwester Mia, die den Hof gemeinsam mit Kai van der Kraacht bewirtschaftete. Einem Fremden, bei dem man nicht wusste, was man von ihm halten sollte. Norbert war nicht der Einzige im Dorf, der fand, dass der Hof an ihn hätte gehen müssen und nicht an Kai. Denn der hätte in Holland bleiben sollen, wo er hingehörte. Was diese Geisteshaltung anging, hat Norbert sicherlich von einigen Unterstützung bekommen, oder etwa nicht?«
Seine Mutter blickte unsicher zu ihrem Mann, als würde sie ihn um sein Einverständnis bitten. Der Vater zögerte, dann nickte er. Er schob seinen Stuhl zurück, stellte sich ans Fenster und blickte wie unbeteiligt in die Ferne. Er wartete. Und Mechthild Hambrock begann zu reden.
»Kai war zu dem Zeitpunkt ja schon sechzehn Jahre auf dem Hof«, sagte sie. »Wir glaubten, Norbert würde halt seine Tagträume brauchen, weil er Angst hatte, Annette zu verlieren. Zudem hatte sich der alte Reckenfeld längst mit Kai versöhnt. Am Ende seines Lebens war er sogar glücklich darüber, dass Kai sein Erbe antreten würde. Bevor der alte Reckenfeld im Sommer 1980 starb, hat er das auch Norbert und Annette wissen lassen. Der Patriarch hatte entschieden. Kai sollte auf dem Hof bleiben.«
Ohne den Blick vom
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