Das Geheimnis zweier Ozeane
kauerte sich neben das Funkgerät und klopfte mit ungelenken Fingern die Antwort. Wieder reihten sich auf dem Papierstreifen Punkte und Striche. Gorelows Finger berührten jetzt die Tasten zögernd und unsicher. Dann zeigte sich hinter dem Fensterchen eine kurze Punkt- und Strichreihe und riß ganz plötzlich ab.
Schwer atmend schloß Gorelow die Augen. Auf seiner Stirn perlte Schweiß.
Er beugte sich über das Funkgerät, berührte ein paar Tasten und verharrte einige Zeit in regloser Stellung. Schließlich richtete er sich auf und schwamm mit voller Geschwindigkeit erst zum Meeresgrund und dann nach West.
„Fjodor Michailowitsch! Fjodor Michailowitsch!“ hörte er den Zoologen rufen. „Antworten Sie doch endlich! Wo sind Sie? Was ist mit Ihnen?“
„Ja, bitte?“ murmelte Gorelow mit verstellter Stimme. „Arsen Dawidowitsch, sind Sie das?“
„Ja, ja, ich bin es!“ antwortete der Zoologe erfreut. „Wo stecken Sie denn? Warum haben Sie sich so lange nicht gemeldet?“
„Ich … mir wurde plötzlich schlecht“, Gorelows Stimme klang schwach und erschöpft. „Ich weiß nicht, wo ich bin … liege auf einem Felsen … ich war auf dem Wege zu Ihnen … und plötzlich … wurde ich wohl ohnmächtig … Jetzt geht es mir schon ein wenig besser … Peilen Sie doch bitte sofort …“
Ohne die Geschwindigkeit zu vermindern, fast schon am Meeresboden, warf Gorelow das Kästchen fort. Nur ein Schlammwölkchen wirbelte dort auf, wo es sich für immer in den Meeresboden eingewühlt hatte.
„Ihnen ist schlecht geworden?“ fragte der Zoologe mißtrauisch und fügte nachdenklich hinzu: „So … hm … das tut mir aber leid … ich werde Sie in Begleitung zum U-Boot zurückbringen lassen. Sie müssen sich ausruhen … Jetzt peile ich. Tiefe unverändert? Richtung auch?“
Nach fünf Minuten stand Gorelow neben dem Zoologen und brachte auf dessen Vorwürfe einige Entschuldigungen vor.
„Jetzt muß ich noch Pawlik und Zoi heranrufen!“ sagte der Zoologe tief verärgert. „Ich hatte sie ausgeschickt, um Sie zu suchen. Wieviel Zeit haben wir vertan! Drei Stunden sind schon vergangen, seit wir das U-Boot verlassen haben, und die Ausbeute ist nicht der Rede wert.“
Bald tauchte aus dem Dunkel der Tiefsee Pawlik auf, und ein paar Minuten nach ihm war auch Zoi wieder da. Beide schwiegen und verrieten durch kein Wort Freude oder Genugtuung, die man ja angesichts eines verschwundenen und wieder heil zurückgekehrten Kameraden erwarten konnte.
Als Gorelow und Zoi, der den Ingenieur zum U-Boot begleitete, außer Sicht waren, drückte Pawlik seinen Helm an den Helm des Zoologen und sagte erregt:
„Ich schwamm mit gelöschter Laterne im Zickzack, schräg nach oben, nach Ost. In einer Tiefe von tausendfünfhundert Metern sah ich plötzlich Licht; es jagte zum Meeresboden, in westlicher Richtung. Ich kam näher und erkannte ihn. Dann schwamm ich ihm nach, hundert Meter über ihm. Mir schien, als habe er etwas weggeworfen … aber ich weiß es nicht genau … ich war zu weit entfernt.“
Zoi geleitete Gorelow bis zum U-Boot, schwamm zum Zoologen zurück und arbeitete mit ihm bis zur Beendigung der Exkursion. Vier Stunden später waren alle wieder an Bord der ,Pionier‘. Der Zoologe suchte Gorelow auf, um in seiner Eigenschaft als Schiffsarzt nach ihm zu sehen. Zoi und Pawlik beeilten sich, in die Kajüte des Kommissars zu kommen, wo sie auch Orechow antrafen.
„Nun, was gibt’s?“ fragte Zoi ungeduldig schon auf der Schwelle.
„Was soll’s schon geben!“ antwortete Orechow mißgelaunt. „Nichts! Gar nichts! Hast du auch nichts durcheinandergebracht, Kleiner?“ wandte er sich an Pawlik.
Pawlik blickte verlegen abwechselnd auf Orechow und Zoi.
„So sagt es doch“, rief Zoi, „was habt ihr gefunden?“
„Überhaupt nichts. Ein ganz gewöhnliches Blechkästchen mit Reserveteilen für seine Schreibmaschine. Das war alles, Genosse Sherlock Holmes!“ Nach kurzem Schweigen fügte Orechow hinzu: „Dem Kapitän ist es furchtbar peinlich; er befürchtet, er habe zu voreilig gehandelt. So kann man eine Sache vor der Zeit verderben. Er sagt, Pawlik sei noch ein Kind, und ein Kind kann sich leicht irren. Und wir hatten darauf bestanden, sofort Klarheit zu schaffen. Eine peinliche Geschichte! Hoffentlich merkt Gorelow nichts!“
„Wie konnte ich mich denn irren!“ sagte Pawlik gekränkt mit zitternder Stimme. „Aus Blech! Ich habe das Kästchen doch selbst in der Hand gehabt … Sehr schwer war es
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