Das Geheimnis zweier Ozeane
plötzlich Unruhe. Er schoß kreuz und quer, verschwand und kehrte zu seinem phlegmatischen Gebieter wieder zurück. Diese Unruhe schien sich auch dem Haifisch mitzuteilen. Er wälzte sich um und schwamm weg, mit einem mächtigen Schlag seiner Schwanzflosse das Bullauge streifend. Die dahinter Stehenden wichen erschreckt zurück. Nachdem der Raubfisch verschwunden war, belebte sich die Tiefe nicht mehr, sie blieb öde und verlassen.
„Seltsam, hat denn der Hai alle verscheucht?“ fragte Siedler verwundert.
„Das scheint mir selber sehr merkwürdig … auch das Wasser ist plötzlich trübe geworden …“, bemerkte der Zoologe, durch das Bullauge starrend.
„Stimmt … Das Wasser ist stark getrübt … als ob es verschmutzt wäre.“
Zoi hob warnend den Finger.
„Achtung! Arsen Dawidowitsch, hören Sie nichts?“
Alle verstummten und horchten angespannt.
Aus der Ferne hörte man ein dumpfes Grollen und dazwischen einzelne Detonationen.
Die ,Pionier‘ durchpflügte die Tiefe mit halber Kraft, und je weiter sie vordrang, um so trüber wurde das Wasser, um so deutlicher hörte man das dumpfe Grollen und die Detonationen.
„Was könnte das sein?“ fragte Siedler erregt.
Niemand antwortete ihm. Alle lauschten angespannt diesen geheimnisvollen, aus den Tiefen des Ozeans kommenden Lauten. Im stark getrübten Wasser zogen die Schatten seltsam unbeweglicher Fische mit leblos herabhängenden Flossen vorbei. Seeschildkröten, deren Köpfe hilflos von ihren langen Hälsen herabhingen, stießen gegen das Bullauge.
„Tierkadaver“, sagte der Zoologe, ganz nahe an das Bullauge herantretend. Vor seinen Augen wirbelten im Wasser kleine schwarze Brocken. „Bimsstein und Asche!“ rief er. „Ein Vulkan ist auf dem Meeresgrund ausgebrochen!“
Das U-Boot hatte inzwischen seine Fahrt verlangsamt.
„Im Steuerraum hat man das wahrscheinlich schon lange bemerkt“, sagte Zoi. „Es wäre schade, wenn der Kapitän umkehren würde und wir ein so seltenes Schauspiel nicht beobachten könnten.“
„Das glaube ich nicht!“ bemerkte der Zoologe lächelnd. „Schelawin ist wohl schon im Steuerraum und wird sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen.“
Obgleich die Detonationen und das Grollen immer lauter wurden, schien das U-Boot seinen Kurs nicht zu ändern. Bald hörte man auch andere Geräusche. Gegen die Außenwand des Schiffes prasselte es wie Hagelschlag auf einem Wellblechdach. Im Wasser wirbelten, von Dampf umgeben, ganze Wolken kleiner und größerer Brocken.
„Und was ist das?“ fragte Pawlik.
„Das sind erhitzte Bimssteinstücke, die der Vulkan ausschleudert“, sagte der Zoologe. „Bimsstein ist leichter als Wasser und strebt deshalb zur Oberfläche. Bei derartigen Vulkanausbrüchen ist das Meer dann kilometerweit von einer dicken Schicht schwimmenden Bimssteins und mit feiner Asche bedeckt.“
Schiffe meiden gewöhnlich solche Stellen und halten sich möglichst abseits vom Herd eines Seebebens. Aus diesem Grunde stieg die ,Pionier‘ mit langsamer Fahrt immer höher zur Oberfläche empor. Offenbar war der Kapitän sicher, daß niemand das U-Boot entdecken würde.
Nach einigen Minuten tauchte die ,Pionier‘ wieder tiefer hinab. Ringsum war es völlig finster. Die Detonationen und das dumpfe Getöse schienen unmittelbar in der Nähe des U-Bootes zu erfolgen.
„Wir nähern uns dem Vulkan“, bemerkte der Zoologe, ohne den Blick vom Bullauge zu wenden. „Sehr interessant! Außerordentlich interessant!“
„Ist es denn nicht gefährlich?“ fragte Siedler.
„Das lassen Sie nur die Sorge des Kapitäns sein. Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen.“
Im Laboratorium war es dunkel, aber der Zoologe machte kein Licht.
„Warten Sie noch ein bißchen“, sagte er mit lauter Stimme, damit man ihn im Tosen und Krachen hören konnte, „bald werden Sie in dieser Finsternis ein märchenhaftes Schauspiel erleben. Wenn nur der Kapitän nicht den Kurs ändert.“
Das U-Boot setzte das Tauchen fort. Es hatte bereits eine Tiefe von nicht weniger als zweitausend Metern erreicht, als es plötzlich scharf drehte.
Weit in der Ferne, schräg zum U-Boot, breitete sich ein ungeheurer purpurroter Feuerschein aus. Riesige weißglühende Bälle schossen aus seinem Zentrum empor. Eingehüllt in rosafarbene Dampfwölkchen, zerplatzten sie wie Raketen in kleine rote Bruchstücke und fielen, gleich Schwärmen dunkelpurpurner Meteoriten, zum Meeresboden.
Das U-Boot umkreiste langsam den feuerspeienden Vulkan
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