Das Geheimnis zweier Ozeane
Wer hat ihn fortgeschleppt? Woher weißt du das?“ fragten der Kapitän und der Zoologe erregt, den Kranken zum Bette führend.
„Ich sah es“, murmelte Marat, sich kraftlos auf die Koje fallen lassend. „Ein riesiger Pottwal; er schoß über uns dahin und hielt Pawlik fest …“
Marat schloß die Augen. Sein sonst braunes Gesicht war aschfahl, und es schien, als würde er wieder das Bewußtsein verlieren.
Lordkipanidse, im weißen Arztkittel, beugte sich über ihn.
„Was kann das alles bedeuten?“ fragte der Kapitän.
„Fieberphantasien nichts weiter“, bemerkte Gorelow.
„Das ist schon möglich“, pflichtete ihm der Zoologe bei, „ich befürchte, er hat eine Gehirnerschütterung, davongetragen. Wahrscheinlich hat ihn der verendende Krake gegen die Schiffswand geschleudert. Jedenfalls haben weder ich noch Skworeschnja einen Pottwal gesehen.“
Der Ozeanograph Schelawin trat in den Lazarettraum.
„Höre ich recht, erwähnten Sie den Pottwal?“ fragte er und blickte durch seine schief aufgesetzte Brille auf den Zoologen. „Offen gesagt, ein so riesiges Exemplar habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“
Alle blickten verwundert auf Schelawin.
„Was für einen Pottwal meinen Sie, Iwan Stepanowitsch?“ fragte der Zoologe.
„Nun, ich meine den Pottwal, der wie ein Pfeil über meinem Kopf dahinsauste und alle meine Meßgeräte durcheinanderbrachte. Er hat mir heute die ganze Arbeit verdorben. Als hätte er eine Harpune im Leibe, so fegte er davon.“
„Wann haben Sie ihn gesehen?“ fragte der Kapitän schnell.
„Vor etwa drei Stunden.“
„Wo befanden Sie sich?“
„Auf der hydrophysikalischen Station Nr. 3, in einer Tiefe von dreihundert Metern, ungefähr achtzehn Kilometer südöstlich unseres jetzigen Stützpunktes.“
„Welche Richtung nahm er?“
„Genau von Nord auf Süd.“
„Vom Wrack in Richtung auf Station 3?“ sagte der Zoologe erstaunt. „Sollte das vielleicht nur ein Zufall sein?“
In diesem Augenblick stöhnte Marat und öffnete langsam die Augen. Er schaute sich ruhig im Kreise um und sagte, als setze er ein unterbrochenes Gespräch fort, mit stockender Stimme:
„Ich habe es … genau gesehen. Pawlik hing … an einer Seite des Pottwals. Der Pottwal schoß über uns hinweg … Etwa zehn oder fünfzehn Meter über uns … In seinem Rücken … am Kopf … steckte eine abgebrochene Harpune.“
„Richtig!“ rief Schelawin, mit den Händen fuchtelnd. „Ganz richtig! Sie steckte in seinem Rücken, eine abgebrochene Harpune. Wir haben also beide den gleichen Missetäter gesehen. Er hat mir die ganze Station durcheinandergeworfen.“
„Aber warum haben Sie dann nicht auch Pawlik gesehen?“ fragte der Zoologe erregt.
„Das hat nichts zu sagen, Iwan Stepanowitsch hat den Pottwal von der anderen Seite gesehen“, sagte der Kapitän nachdenklich.
„Was sollen wir tun? Armer Junge“, flüsterte Lord, an seinem Bart zupfend.
„Zweifellos ist er schon lange tot“, bemerkte Gorelow. „Da ist nichts mehr zu machen.“
Er ging mit großen Schritten im Lazarettraum auf und ab.
Der Kommissar wandte mit einer schnellen Bewegung seinen grauhaarigen Kopf Gorelow zu, und auf seinem jungen Gesicht mit den klaren Augen malte sich aufrichtiges Erstaunen.
Der Kapitän blickte ebenfalls verwundert auf Gorelow und wandte sich an den Zoologen:
„Sind Sie davon überzeugt, Lord, daß der Junge bestimmt nicht auf dem Wrack oder in seiner Nähe zurückgeblieben ist?“
„Voll und ganz!“ antwortete der Gelehrte. „Nachdem wir die meisten Kraken getötet und die restlichen vertrieben hatten, untersuchte ich gemeinsam mit Skworeschnja das Wrack und seine nähere Umgebung. Wir sahen das Leck, das Pawlik gefunden hatte; wir stießen auch auf einen riesigen verstümmelten Kraken …“ Und als sei ihm ganz unerwartet etwas Wichtiges eingefallen, rief er: „Ich beginne zu begreifen! Daß mir das nicht schon eher eingefallen ist! Kraken und überhaupt alle Kopffüßer sind doch die Lieblingsbeute des Pottwals. Und nur ein Pottwal konnte diesen riesigen Kraken so zurichten. Das Bild rundet sich ab, Kapitän! Zweifellos hat gleichzeitig mit unserer Schlacht auf der anderen Seite des Schiffes ein Zweikampf zwischen Pottwal und Kraken stattgefunden. Und unser armer Pawlik ist irgendwie dazwischengeraten, hat den Zweikampf vielleicht unterbrochen. Es ist doch merkwürdig, daß der Pottwal seinen Sieg nicht ausgenutzt hat; er hat den Kraken
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