Das Geheimnis zweier Ozeane
nicht mehr angerührt und ist geflohen.“
„Es besteht nun kein Zweifel, daß Iwan Stepanowitsch denselben Pottwal wie Marat gesehen hat“, sagte der Kapitän nachdenklich.
Gorelow unterbrach seine Wanderung durch den Lazarettraum, und alle blickten schweigend auf den Kapitän. Sie fühlten, daß sich jetzt Pawliks Schicksal entschied.
„Macht nichts“, sagte schließlich der Kapitän, „der Pottwal entkommt uns nicht!“
Gorelow schaute auf die Uhr – es war kurz nach vier Uhr nachmittags – und wandte sich an den Kapitän: „Verzeihung, Nikolai Borissowitsch. Ich kam hierher, um Ihnen zu melden, daß ich das U-Boot verlassen muß. Backbords müssen zwei Düsen nachgesehen werden. Sie scheinen leicht verschmutzt zu sein, und man wird sie wahrscheinlich abmontieren und reinigen müssen. Kann ich damit gleich beginnen?“
„Zwei Düsen sind ausgefallen?“ fragte der Kapitän befremdet. „Wann ist denn das passiert? Wir sind doch mit intakten Düsen hergekommen.“
Gorelow trat von einem Fuß auf den anderen und antwortete verlegen:
„Sie schienen mir schon früher nicht ganz in Ordnung gewesen zu sein.“
„Genosse Maschineningenieur“, sagte der Kapitän scharf. „Warum haben Sie mir nicht schon eher davon Meldung gemacht? Ihr Verhalten widerspricht den elementarsten Regeln der Schiffsdisziplin. Ich sehe mich gezwungen, Ihnen eine Rüge zu erteilen. Sind diese Düsen ganz ausgefallen, oder wieviel Prozent beträgt ihr Leistungsverlust?“
Gorelows Gesicht bedeckte sich mit roten Flecken.
„Die Düsen haben nicht mehr als fünf bis sechs Prozent ihrer Leistung verloren, Genosse U-Boot-Kommandant.“
„Ausgezeichnet!“ Der Kapitän wandte sich zu den beiden Gelehrten um: „Können Sie Ihre Apparate und Geräte einige Zeit unbeaufsichtigt lassen?“
„Das können wir“, antworteten beide zugleich.
„Das U-Boot nimmt die Verfolgung des Pottwals auf! Macht euch alle fertig!“
„Hurra, Kapitän!“ rief Marat mit schwacher Stimme.
Der Kapitän lächelte ihm zu und wandte sich an Gorelow.
„Fjodor Michailowitsch“, sagte er wesentlich freundlicher.
„Maschinen zur Fahrt sofort klarmachen. Im Notfall haben sogar zehn Prozent Leistungsverlust keinerlei Bedeutung.“
Gorelow wurde so blaß, wie das zuweilen mit braunhäutigen Menschen geschieht. Sein Gesicht nahm eine wächserne Farbe an, aber seine Augen blickten kalt und entschlossen.
„Genosse U-Boot-Kommandant“, sagte er mit vor Erregung bebender Stimme. „In meiner Eigenschaft als Maschinenbetreuer des U-Bootes halte ich es für meine Pflicht, Ihnen zu melden, daß das Boot hierbleiben muß. Es ist zu riskant, mit verschmutzten Düsen auszulaufen. Insbesondere – wegen irgendeines Bengels, der, im Grunde genommen, sicherlich schon längst tot ist …“
Marat machte eine plötzliche Bewegung, als wolle er zu einem Sprung ansetzen, blieb dann aber reglos mit geweiteten Augen auf der Koje liegen; das Gefühl der Disziplin gewann Oberhand über ihn. Der Zoologe murmelte etwas, das keineswegs schmeichelhaft klang. Der Kommissar blickte schweigend auf Gorelow. Schelawin blinzelte verlegen und schaute mit seinen kurzsichtigen Augen abwechselnd auf Gorelow und auf den Kapitän; er konnte es kaum fassen, wie man mit dem „Unterseegott“, wie er den Kapitän nannte, so formlos reden konnte.
Das Gesicht des Kapitäns blieb unbeweglich, aber seine Augen blickten hart und starr.
„Wir haben hier keine Besprechung, in der man meine Anordnungen kritisieren könnte“, sagte er, ohne die Stimme zu heben. „Führen Sie sofort meinen Befehl aus. Für einen mehr als zehnprozentigen Leistungsverlust der Düsen tragen Sie die volle Verantwortung. Begeben Sie sich sofort auf Ihren Posten, Genosse Maschineningenieur!“
Der Kapitän schaute Gorelow durchdringend an. Nach kurzem, kaum merklichem Zögern verneigte sich Gorelow schweigend und verließ schlurfend und mit gesenktem Kopf den Lazarettraum.
Der Zoologe stand im Steuerraum neben dem wachhabenden Offizier, Oberleutnant Bogrow, und verspürte kaum den Stoß von der ersten Explosion in der Heckdüse. Es war vier Uhr fünfzehn nachmittags. Durch den Rumpf der ,Pionier‘ ging ein leichtes Beben: das U-Boot setzte sich in Bewegung. Der Oberleutnant schob einen Hebel auf dem Steuerpult einen Teilstrich weiter. Neue Explosionen folgten in immer schnellerer Folge, und der Zoologe spürte schon keine einzelnen Stöße mehr, sondern ein gleichmäßiges, leichtes Beben des
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