Das Geheimnis zweier Ozeane
hörte Tschishow die sichere Stimme des Kapitäns. „Ziel – Metall, Organik, Glas. Flugzeuge oder Schiff. Entfernung und Richtung nach dem Bildschirm. Meine Befehle abwarten.“
In diesem Augenblick erhellte sich die Kuppel des Bildschirms; darauf zeigten sich der klare, blaue Himmel über einer ruhigen See, einige verstreute Wölkchen, der strahlende gelbe Fleck der Sonne, die weite Kreislinie des Horizontes und – im Westen – drei winzige Flugzeuge, hinter denen ein flockiger Kondensstreifen im Blau des Himmels zerfloß.
„Feind in Sicht!“ hörte man Tschishows ruhige Stimme. „Drei Flugzeuge und unter ihnen offenbar ihr Stützpunkt. Entfernung für Ultraschall-Kanone zu groß. Wir müssen näher heran.“
Das war auch dem Kapitän klar. Er blieb jedoch stumm. Erst nach längerem Zögern, während die Oberfläche des Ozeans auf dem Bildschirm verschwand und dann wieder erschien, strich er sich über die Stirn und befahl:
„Ultraschall-Kanone abstellen!“
Beide Offiziere schauten verblüfft auf ihren Kapitän.
„Genosse U-Boot-Kommandant!“ sagte Oberleutnant Bogrow, der nur mit Mühe seine Stimme dämpfte. „Man hat uns angegriffen. Man wollte uns vernichten … Ohne jeden Anlaß. Und Sie wollen diesen schändlichen Überfall ungestraft lassen? In einer halben Stunde würde von diesen Banditen nur noch Staub übrigbleiben.“
Der Kapitän antwortete beschwichtigend:
„Ich verstehe Sie voll und ganz. Ich teile Ihre Entrüstung. Aber das Wichtigste ist, bis zu dem entscheidenden Tag unserer Ankunft in Wladiwostok unser U-Boot und unsere Waffen verborgen zu halten. Wenn der Feind denkt, er habe uns vernichtet, dann um so besser. Vielleicht wird er jetzt die Verfolgung aufgeben. Unsere Aufgabe, unsere Pflicht gegenüber der Heimat besteht darin, das U-Boot unbemerkt und unbeschädigt und zum befohlenen Termin bis nach Wladiwostok zu führen. Offenbar ist es nicht gelungen, unser Geheimnis ganz zu wahren. Aber auf welche Weise dem Feind unsere genauen Koordinaten bekannt geworden sind, ist mir völlig unbegreiflich.“
„Ich weiß es …“, hörte man plötzlich eine schwache Stimme.
Alle drehten sich hastig zur Tür um und erblickten Pawliks schmächtige Gestalt, bis zu den Knöcheln in ein weißes Nachthemd gehüllt. Pawlik stand, an den Türrahmen gestützt, und schien aus halbgeschlossenen Augen durch den Kapitän, durch die Wand des Steuerraumes hindurch, irgendwohin in eine unbegreifliche, unbekannte Ferne zu schauen.
„Ich verstehe es jetzt“, wiederholte er mit schläfriger Stimme. „Er hat es mir erklärt. Koordinaten … sie … sie bestimmen die Lage eines Punktes … eines Punktes im Raum … Das hat mir …“
Er sprach mit müder, erlöschender Stimme und sank immer mehr in den Knien zusammen. Das laute Geräusch einer neben ihm aufgerissenen Tür übertönte seine letzten Worte. Gorelow stürzte herein und fing den Umsinkenden auf.
„Pawlik, Junge! Wie kommst du hierher?“ rief er laut.
Gorelow trug den Ohnmächtigen an seiner und an der Kajüte des Elektroingenieurs vorbei und durch das Biologische Laboratorium zum Lazarettraum.
Der Zoologe, der sich zuerst gefaßt hatte, folgte ihm.
Im Steuerraum herrschte kurze Zeit Schweigen.
„Das war aber merkwürdig“, sagte endlich Oberleutnant Bogrow.
„Ja …“ Der Kapitän schaute noch immer nachdenklich zur Tür. „Wieso hat es plötzlich jemand für nötig befunden, ihm von Koordinaten zu erzählen?“
Er wandte sich an Leutnant Krawzow und begann ihm mit ruhiger Stimme Befehle zu erteilen:
„Das U-Boot entfernt sich jetzt fünfzig Kilometer von seinem alten Standort. Dann kreuzt es in verschiedenen Richtungen, ohne seine Fahrt zu unterbrechen. Der Alarm ist aufgehoben. Beide Aufklärer bleiben an der Oberfläche. Verdächtige Objekte vorsichtig durch Aufklärer beobachten und mir sofort melden.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:
„Halten Sie sich stets vor Augen, Genossen: Von nun an äußerste Wachsamkeit! Man verfolgt uns! Wir haben es mit einem schlauen und hinterlistigen Feinde
zu tun. Keine Minute dürfen wir vergessen, daß dieser Feind uns irgendwo im Hinterhalt auflauert. Wir müssen jetzt besonders vorsichtig und auf alles gefaßt sein. Instruieren Sie in diesem Sinne die gesamte Besatzung des U-Bootes und alle Teilnehmer der wissenschaftlichen Expedition. Nach zwei Stunden werde ich, falls sich bis dahin nichts mehr ereignet hat, alle Wissenschaftler und einen Teil der Schiffsbesatzung zur
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