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Das Geheimnis zweier Ozeane

Das Geheimnis zweier Ozeane

Titel: Das Geheimnis zweier Ozeane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grigori Adamow
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Kapitel
EIN ÜBERRASCHENDER ANGRIFF
    D
    er auf einem Metallständer montierte Scheinwerfer drehte sich langsam um seine Achse, sein Strahlenbündel glitt über die schwarzen Felswände und verlor sich in der Tiefe der Schlucht. Das Wasser war jetzt wieder so klar wie ein durchsichtiger Bergkristall. Ringsumher war alles still und öde. Nur selten huschte der Schatten eines Tiefseefisches oder ein Schwarm leuchtender Krebstierchen vorbei.
    Pawlik saß auf einem Felsen, der sich mitten in der Schlucht zwischen Schotter und Trümmerstücken erhob. Seine Stimmung war nicht sehr gut. Jeder auftauchende Schatten ließ ihn zusammenfahren. Es waren schon zehn Minuten verflossen, seit er allein war. Pawlik fühlte sich erschöpft. Die Erwartung irgendeiner drohenden Gefahr zerrte an seinen Nerven. Ab und zu hörte er die Stimmen Bogrows und des Zoologen. Sie wollten wissen, wie es ihm gehe und ob schon jemand von der Suche zurückgekehrt sei. Aber immer seltener ließen sich die Stimmen der Fragenden vernehmen; möglich, daß sie sich in schwierigem Gelände vorwärtsarbeiten mußten und ganz von der Sorge um Schelawin erfüllt waren, so daß sie nicht mehr an den Jungen dachten, der auf einem einsamen Felsen saß und den sie in Sicherheit glaubten. Wenn die Müdigkeit ihn zu überwältigen drohte, umfaßte Pawlik mit seinem Metallhandschuh den Ständer des Scheinwerfers; er vernahm dann das gleichmäßige melodische Surren des kleinen Motors, der den Scheinwerfer um seine Achse drehte. Dieser Ton beruhigte den Jungen und erfüllte ihn mit neuem Mut.
    In der Ferne zeigte sich ein kleiner, von schwachem, phosphoreszierndem Leuchten umgebener Schatten.
    Es war ein Fisch, ein Bewohner großer Tiefen, der langsam auf Pawlik zuschwamm. Pawlik beobachtete neugierig und ruhig, wie er leicht durchs Wasser glitt. Der Scheinwerferstrahl streifte ihn, und für einen Augenblick war das schwache Leuchten des Fisches durch den Lichtkegel aufgelöst. Dann erschien wieder das phosphoreszierende Leuchten des Tieres, und man sah seinen fast einen Meter langen Körper, die großen sichelförmigen Flossen und den kräftigen Schwanz. Jetzt war er inmitten eines dichten, flimmernden Nebels, der von der Masse kleiner, leuchtender Tiefseeorganismen gebildet wurde. Mit weitaufgesperrtem Rachen begann der Fisch das Kleingetier zu verschlingen.
    Plötzlich, als habe ihn die Finsternis ausgespien, zeigte sich ein Chiasmonus niger * von schöner, samtschwarzer Farbe. Sein schmächtiger Leib mit der breiten Schwanzflosse, dem langen flachen Kopf und dem mit winzigen hakenförmigen Zähnen bespickten Maul konnte für das große Tier, das Pawlik beobachtet hatte, eher eine verlockende Beute als eine Bedrohung sein. Aber obgleich der Neuankömmling nur ein Drittel der Länge des ersten Fisches hatte, näherte er sich diesem furchtlos. Der kleine Wicht gebärdete sich seltsam. Er umkreiste in wildem Tanz den Großen und tauchte immer häufiger vor dessen Rachen auf, als wolle er ihm, hartnäckig und frech, in die Augen schauen. Der große Fisch kümmerte sich kaum um den Zwerg und setzte gierig sein Mahl fort.
    Pawlik beobachtete mit steigendem Interesse diese merkwürdige Szene, ohne zu begreifen, was der kleine, wendige Fisch eigentlich wollte.
    Und plötzlich, in dem kurzen Augenblick, als der große Fisch gerade seine Kiefer schloß, um die Beute hinunterzuschlingen, tauchte der kleine Irrwisch mit aufgerissenem Rachen direkt vor seinem Kopf auf und biß sich blitzschnell in dem spitzen Maul des anderen fest. Pawlik war so verblüfft, daß er aufschrie und vom Felsen hinuntersprang. Was jetzt weiter folgte, beobachtete er mit vor Staunen offenem Munde.
    Der große Fisch schüttelte sich heftig wie ein Hund, der eine lästige Fliege von der Nasenspitze verscheuchen möchte; aber der kleine Frechling, der seine hakenförmigen Zähne in das Maul seines Gegners geschlagen hatte, haftete fest daran. Im Gegenteil, Pawlik schien es sogar, als schiebe sich der Angreifer, unterstützt durch das Schütteln, noch weiter auf den Kopf seines Opfers hinauf, wobei er durch Schläge mit der Schwanzflosse nachhalf. Der große Fisch, der seine einzige Waffe, seine Zähne, nicht gebrauchen konnte, warf sich jetzt, das lebende Vorhängeschloß vor dem Maul, wild hin und her. Er schnellte empor, schoß in die Tiefe und versuchte verzweifelt, seinen Peiniger abzuschütteln. Doch der kleine samtschwarze Räuber schien mit dem Kopf des anderen verschmolzen zu sein. Pawlik sah

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