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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Damen eingenommen, welche von ihren Dienerinnen und Wächtern begleitet wurden.
    »Da vorn, das dort ist die ehrenwerte Ichiteru.« Mit einem Mal machte Midori einen unsicheren, ja, fast schüchternen Eindruck. »Bitte verzeiht, wenn ich mich einmische, Hirata-san, aber … seid vorsichtig. Ich weiß zwar nichts mit Sicherheit, aber ich … ich …« Sie stammelte irgendetwas Unverständliches … und plötzlich schaute Konkubine Ichiteru über die Schulter und fing Hiratas Blick auf.
    Mit ihrem länglichen, ovalen Gesicht, der geraden schmalen Nase und den leicht schräg stehenden Augen entsprach Ichiteru dem Idealbild der klassischen Schönheit, wie es auf alten höfischen Gemälden zu sehen war – oder in den schmuddeligen Broschüren, in denen die Kurtisanen im Vergnügungsviertel Yoshiwara angepriesen wurden. Ihr gesamtes Äußeres spiegelte die erstaunliche Verbindung von Zurückhaltung und Vornehmheit einer kultivierten Dame auf der einen und der freizügigen Sinnlichkeit eines Bauernmädchens auf der anderen Seite wider. Ihre vollen, schön geschwungenen Lippen waren rot bemalt und hoben sich deutlich von ihrem weiß geschminkten Gesicht ab. Ihr Haar trug sie im Stil einer hochrangigen Prostituierten: im Nacken lang und an den Seiten hochgesteckt, wobei es von einem Kamm gehalten wurde, der mit kunstvollen Seidenblumen verziert war: eine schlichte, fast strenge Frisur. Ihr weinroter Brokatkimono ließ nach der neuesten Mode die Schultern frei – eine Mode, die wie geschaffen für Ichiteru war, denn ihr Hals war schön geschwungen, die Schultern schmal und gerade, und die weiße Haut so makellos, als hätte noch kein Mann sie berührt. Ichiterus Blick war verträumt und lockend, schüchtern und begehrlich zugleich.
    Hirata spürte, wie ihm die Knie weich wurden und er vor Verlegenheit rot anlief. Wie ein Schlafwandler bewegte er sich auf Ichiteru zu. Er bemerkte es kaum, als Midori sie einander vorstellte und Ichiteru den Grund für Hiratas Kommen mitteilte. Seine Umgebung verschwamm zu einem verwaschenen Bild grauer Schemen; nur Ichiteru war klar und deutlich zu sehen, voller Leben und Farben. Ihr Parfum besaß den schweren, süßlichen Duft exotischer Blumen. Vor lauter Begierde wurde Hirata abwechselnd heiß und kalt. Noch nie hatte er sich so sehr zu einer Frau hingezogen gefühlt.
    Ichiteru sprach mit der melodischen, weichen Stimme einer Dame von edler Herkunft: »Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Selbstverständlich werde ich Euch bei Euren Nachforschungen helfen, so gut ich es vermag …«
    Dann hob sie ihren seidenen Fächer und bedeckte die untere Hälfte ihres Gesichts. Indem sie den Blick senkte und den Kopf leicht zur Seite neigte, forderte sie Hirata auf, neben ihr Platz zu nehmen. Noch immer wie benommen setzte er sich, wobei er einen abwesenden Blick auf Midori warf, als diese ihm das Tablett aus den Händen nahm; dann bot sie Ichiteru und Hirata mit unglücklicher Miene Tee und Kuchen an. Hirata vergaß das Mädchen völlig; er hatte nur noch Augen für Konkubine Ichiteru.
    »Ich … Ich würde gern wissen …«, stammelte er und versuchte, sich zu konzentrieren. Sein Haar, das er sich bei dem Auftrag in Nagasaki zur Tarnung kurz hatte scheren lassen, kam ihm abgrundtief hässlich vor. »Wie, äh … war Euer Verhältnis zur ehrenwerten Harume?«
    »Harume war ein freches kleines Ding …« Ichiteru zuckte anmutig die Schultern, wobei ihr Kimono noch tiefer über die Schultern rutschte, sodass eine ihrer Brustwarzen zur Hälfte zu sehen war. Es kostete Hirata all seine Willenskraft, ihr weiter in die Augen zu schauen. Er spürte eine Erektion. »… aber sie war ein Bauertrampel und zählte wahrlich nicht zu den Menschen, mit denen ein Angehöriger der kaiserlichen Familie … jemand wie ich … sich abgegeben, geschweige denn angefreundet hätte.« Verachtung huschte über Ichiterus Gesicht.
    Wenngleich er noch immer von einem Dunstschleier aus Erregung und Begierde umhüllt war, erinnerte Hirata sich an Hofdame Chizurus Worte. »Wart Ihr denn nicht eifersüchtig, als Harume in den Palast gekommen ist und … und … Euren Platz im Schlafgemach des Shôguns eingenommen hat?«
    Kaum hatte Hirata diese Worte ausgesprochen, hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen. Warum, bei den Göttern, hatte er das Verhältnis Ichiterus zum Shôgun nicht höflicher umschrieben? Er schämte sich ob seiner Direktheit, ja Grobheit und bedauerte, dass nichts in seiner Laufbahn als Polizist

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