Das geheimnisvolle Gesicht
Herrn Ehrmann gesprochen!“
Der streng frisierte Kopf verschwand, ein anderer tauchte auf. Graue Haare, finsteres Gesicht, hellblaues Hemd und Krawatte.
„Sind Sie Herr Ehrmann?“
„Bin ich.“
„Wäre es möglich, daß ich Sie etwas fragen könnte?“
„Um was handelt es sich denn?“
Leute waren plötzlich da, Fußgänger, Spaziergänger, Kinder. Es schien eine größere Familie zu sein. Auch ein Hund war dabei. Als er an Ehrmanns Ladengitter das rechte hintere Bein in die Höhe hob, machte der Uhrmacher oben am Fenster empört: „Tschtschtsch!!“ Doch die Mischung aus Pudel und Dackel ließ sich nicht beeindrucken. „Ich komm runter!“ rief Herr Ehrmann. Unklar blieb in diesem Augenblick, ob die Ankündigung dem Hund oder Perry Clifton galt. Er knallte das Fenster zu, daß die Scheiben klirrten. Der Hund kläffte hell und giftig in Richtung Geräusch, sein Herrchen rief vorsichtshalber: „Los, Wally, hierher!!“ und die drei Kinder begannen plötzlich einen Wettlauf zu einem nicht erkennbaren Ziel. Die Frau neben dem Hundebesitzer lächelte Clifton im Vorbeigehen zu und sagte seufzend: „Ja, ja, die Kinder!“ Perry lächelte zurück.
Die Ladentür hinter dem Gitter öffnete sich. Perry Clifton versuchte, den untersetzten Mann mit dem grauen Haarschopf einzuschätzen.
„Bitte, was wünschen Sie?“
Der Uhrmacher betrachtete ihn mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht. Mit Blicken, mit dem sich ein Besucher im Zoo ein seltenes Tier hinter Gittern anschaut. So jedenfalls kam es Perry Clifton vor. Er beschloß, sich eine lange Einleitung zu schenken, denn es sah nicht danach aus, als ob Herrn Ehrmanns Laune besser werden könnte. „Vielleicht häuft er sämtlichen Mißmut aus der Woche auf die Besucher, die ihn am Sonntag stören“, durchfuhr es Perry. Und wirklich, Ludwig Ehrmann ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß er das Gespräch nur durch das Gitter zu führen gewillt war.
„Mein Name ist Clifton. Ich suche im Auftrag einer Londoner Versicherung nach einer Frau!“
„Ach!“ sagte Ehrmann, es klang höhnisch. „Und was habe ich mit dieser Versicherung und dieser Frau zu tun?“
„Madame Bloyer wohnte einige Wochen im Hotel Bristol. Von einem Zimmermädchen im Hotel weiß ich, daß Madame eine Uhr zur Reparatur zu Ihnen gebracht hat. Sie sollten ihr die Uhr dann nachschicken.“
Während er dies erklärte, hatte er den Umschlag mit den Fotos aus der Tasche genommen und schob Ehrmann die Porträtaufnahme entgegen. Mit spitzen Fingern nahm der das Foto entgegen. Stirnrunzelnd sagte er dabei: „Wir bekommen sehr viele Reparaturaufträge. Und wir verschicken auch eine Menge. Aber an den Namen Bloyer...“, er stockte, denn zum ersten Mal betrachtete er das Foto in seiner Hand. Und mit lebhaftem Nicken versicherte er: „Ja, diese Dame war bei uns. Aber sie hieß bestimmt nicht Bloyer!“
Clifton wunderte sich nicht. „Es könnte sein, daß sie auch die Namen Burton oder Lamatin verwendet hat.“
Der Uhrmacher sah ihn ehrlich überrascht an. Vorsichtig und bedächtig reichte er das Foto zurück. „Ja!“ sagte er dann und noch einmal: „Ja...“ Seine Gedanken befaßten sich zweifellos mit einem bestimmten Problem. Clifton konnte nicht ahnen, daß Ehrmann an das dachte, was ihm jener Dr. Tonin gesagt hatte: „Madame wird im Zusammenhang mit einer internationalen Betrugsaffäre gesucht, und das nicht nur von uns, der Polizei, sondern auch von ihren Komplizen.“ So oder ähnlich war es doch gewesen...
„Stimmt!“ sagte der Uhrmacher. „Sie nannte sich Lamatin.“
„Claire Lamatin?“
„An den Vornamen kann ich mich nicht erinnern.“
Perry schluckte. Jetzt kam die entscheidende Frage. Wäre er weniger aufgeregt gewesen, hätte er aus Ehrmanns seltsamem Benehmen gewiß bestimmte Rückschlüsse gezogen.
Als er es tat, war es zu spät.
„Wenn Sie sich schon nicht mehr an den Vornamen erinnern können, vielleicht fällt Ihnen dann ein, wohin Sie die Uhr nachgeschickt haben?“
„Ja“, nickte der Uhrmacher, der plötzlich eine eigenartige Beklemmung empfand. „Wir haben ihr die Uhr nach München nachgeschickt. Ins Hotel am Hofgarten.“
Um 14 Uhr betrat Perry Clifton das INTERNATIONAL durch die gleiche rückwärtige Tür, durch die er es verlassen hatte. Als ihn der Vornehme von der Rezeption entdeckte, holte er Perrys Schlüssel vom Haken und entnahm dem Fach einen Notizzettel. Mit beidem ging er dem Detektiv entgegen.
„Vielen Dank!“ sagte Perry und
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