Das geheimnisvolle Gesicht
Stelle.“
„Vielen Dank.“
Der Vornehme lächelte: „Ich vermutete bereits, daß Sie mit dieser Materie zu tun haben. Und zwar, seitdem ich Sie im Gespräch mit Kommissar Gaitner sah.“
Perry Clifton staunte: „Er hat mir keinen Ton davon gesagt, daß er Sie kennt.“
„Tut er auch nicht. Aber vor einigen Jahren hielt er einen Vortrag im Präsidium über Unwesen und Methoden der internationalen Hoteldiebe. Seine damalige Zuhörerschaft setzte sich ausschließlich aus Hotelmanagern, Empfangschefs und Hoteldetektiven zusammen. Darunter war auch ich.“
„Er ist inzwischen pensioniert!“
„Ah, das wußte ich nicht.“
Perry Clifton überlegte kurz und formulierte dann vorsichtig, da er seinen Gesprächspartner nicht der Geschwätzigkeitbezichtigen wollte: „Haben Sie Ihre Kollegen an Ihrer Vermutung teilhaben lassen?“
Kein vorwurfsvoller Blick, kein entrüstetes Zurückweisen, nur ein kaum wahrnehmbares Kopfschütteln. „Ich gebe höchstens Tatsachen weiter, Herr Clifton. Niemals Vermutungen.“ Und mit Nachdruck: „Sie können sich, was Diskretion und Hilfe anbetrifft, auf mich verlassen.“
Er erhob sich. „Also, kurz vor halb elf...“
Perry Clifton erreichte den Birsig-Parkplatz zwei Minuten vor halb elf. Johannes Gaitner winkte ihm schon von weitem zu. Sie unterhielten sich noch eine Weile, bevor sie losfuhren. Clifton erzählte von seiner Unruhe, seiner Appetitlosigkeit und der Unterhaltung mit dem Empfangschef. Gaitner dagegen berichtete ihm von einem Anruf seiner Schwester, die in Luzern wohnte und die um seinen sofortigen Besuch gebeten hatte. Auch er war beunruhigt. Schon deshalb, weil ihm die Schwester am Telefon nicht sagen wollte, was geschehen war. Gleich nach dem Ehrmann-Besuch hatte er vor, in Richtung Luzern zu starten.
Als sie vor dem Geschäft des Uhrmachers ankamen, war es zehn Minuten vor 11 Uhr. Das geschlossene eiserne Scherengitter vor der Ladentür, so empfand es Perry Clifton, hatte etwas Feindliches, Abweisendes an sich. Während der Kommissar auf den Knopf neben dem kleinen schwarzen Schild mit der Aufschrift EHRMANN, PRIVAT drückte, warf er einen Blick auf die ausgestellten Uhren hinter der Scheibe aus Panzerglas.
Nach dem vierten Klingeln schien es unabänderlich festzustehen: weder der Uhrmacher Ehrmann noch sonst jemand, der zum Haushalt oder zur Familie gehörte, war da. Johannes Gaitner schimpfte leise und ratlos in sich hinein. Perry Clifton tröstete ihn: „Kein Grund zur Aufregung, Herr Kommissar. Es ist Sonntag, vergessen Sie das nicht. Kann man es da jemandem verübeln, wenn er nicht zu Hause ist?“
Gaitner murmelte zuerst etwas Undeutliches, laut sagte er: „Wäre ja alles halb so schlimm, wenn ich nicht nach Luzern müßte.“ Clifton wehrte ab. „Sie haben mir schon so viel geholfen, Herr Gaitner, daß es höchste Zeit wird, daß ich auch mal ohne Sie zurechtkomme. Sie fahren jetzt nach Luzern, und ich werde es später noch einmal probieren.“
„Hm“, machte Gaitner, mit sich, seiner Schwester und der Welt unzufrieden. Doch dann fiel ihm etwas ein. Es war eine Hoffnung, die Perry Clifton absolut nicht zu teilen gedachte. „Sie haben recht, Herr Clifton“, sagte er, „warum sollte sich Herr Ehrmann nicht einen Sonntagsausflug gönnen. Er wird heute abend zurückkommen!“ Er lachte verschmitzt. „Wie ich! Und dann können wir es gemeinsam noch mal probieren.“
„Das ändert jedoch nichts daran“, schränkte Clifton ein, „daß ich zwischendurch noch einmal (oder mehrere Male, was er jedoch nicht laut sagte) vorbeischaue.“
Minuten später befand sich Johannes Gaitner auf dem Weg nach Luzern, während Perry Clifton den Weg zum Rhein einschlug. Zu Gaitner hatte er gesagt: „Ich werde jetzt zwei Stunden durch die Gegend marschieren und hoffe, daß mir dabei eine besonders gute Idee kommt.“
Als er gegen 13 Uhr 30 wieder das Geschäft von Ehr-mann ansteuerte, waren zwar zweieinhalb Stunden vergangen, doch die „besonders gute Idee“ war ausgeblieben.
Nichts hatte sich geändert.
Nichts deutete darauf hin, daß die Bewohner inzwischen zurückgekehrt waren.
Doch schon nach dem ersten Klingelzeichen öffnete sich ein Fenster im ersten Stock. Eine Frau um die fünfzig, streng frisiert, sah zu ihm herunter. „Haben Sie geklingelt?“ Eine überflüssige Frage, denn außer Perry Clifton gab es im Augenblick niemanden, der als Klingler in Betracht käme.
„Ja, guten Tag, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich störe. Ich hätte gern
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