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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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das wütende Spiel der Backenmuskeln und das Öffnen und Schließen der Fäuste des großen alten Mannes. Man mußte ihn wirklich schon oft und viel gefragt haben, daß er so unwirsch auf neuerliche Nachforschungen reagierte.
    Als Clifton hinter John Aston die geräumige Wohnstube betrat, ging ihm plötzlich ein Licht auf. Und lächelnd bemerkte er: »Jetzt wird mir klar, warum man mich vor Ihnen gewarnt hat!“
    Er riß den alten Mann förmlich herum. Mit erschrockenen Augen starrte er Clifton an. „Gewarnt?“ würgte er hervor.
    „Ja. Ein Mädchen im Ort warnte mich vor Ihnen. Ich solle mich vor Ihnen in acht nehmen, Sie hätten eine Menge Stacheln.“
    John Aston entspannte sich. Und dieses plötzliche Entspannen machte ihn fast freundlich. Clifton, dem dieser Vorgang nicht entgangen war, beschloß, ab sofort doppelt genau auf jedes Wort, jede Bemerkung, Vermutung und Geste zu achten, die Aston von sich geben würde.
    Der ehemalige Leuchtturmwärter ließ sich in einen schwarzlackierten Schaukelstuhl fallen. „Die Kakteenzucht ist mein einziges Hobby
    „Recht ungewöhnlich für einen Leuchtturmwärter!“
    „Für einen Leuchtturmwärter außer Dienst, Mister... Wie, bitte, war doch gleich Ihr Name?“
    „Perry Clifton! Wie lange haben Sie diesen Beruf denn ausgeübt?“
    „Dreiundvierzig Jahre. Als ich meinen letzten Turm verließ — es wird ja heute alles elektronisch gesteuert — , hatte ich schon über dreihundert Kakteen... Sieben Jahre ist das nun schon wieder her.“ Er begann zu schaukeln. Jetzt habe ich über sechshundert... Angefangen vom Arthrocereus rondoniámus bis zum einfachen Zygocáctus. Ich habe Pflanzen, die es sonst nur in tropischen Zonen gibt.“
    „Und wie schaffen Sie die Voraussetzungen dafür? Ich meine, daß sie hier gedeihen?“
    „Indem ich in verschiedenen Zimmern durch Temperatur, Beleuchtung und entsprechende Luftfeuchtigkeit die notwendigen Verhältnisse schaffe.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit, als er fortfuhr: „Ich habe Kreuzungen und Weiterzüchtungen erreicht, wie Sie sie sonst in ganz England nicht zu sehen bekommen!“
    „Das muß doch eine Menge Geld kosten?“
    „Ich lebe sehr sparsam, Mister Clifton.“
    „Und allein!“
    „Ja. Ursprünglich gehörte das Haus dem Mann meiner Schwester. Sie wurde sehr früh Witwe... Ihr Mann fuhr zur See und kam eines Tages nicht zurück... Immer wenn ich Ferien machte, das heißt, die beiden Monate, die ich nicht auf dem Turm war, habe ich ein Stück Haus angebaut.“
    „Für neue Kakteen!“
    „Meine Schwester hat sie versorgt. Sie war eine gute Kraft... Ein Jahr nach meiner Pensionierung starb sie. So ist das Leben. Ein ständiges Kommen und Gehen... Kennen Sie sich in Kakteen aus?“
    Perry Clifton bedauerte: „Leider nein. Aber ich kann mir gut vorstellen, daß eine solche Freizeitbeschäftigung viel Spaß macht.“
    „Ich sitze manchmal stundenlang vor einem Kaktus und warte darauf, daß sich die Blüte öffnet. Es gibt für mich kein größeres Abenteuer als das Aufbrechen einer Kaktusblüte.“ Und so, als sei sein Besucher eigens zur Besichtigung gekommen, fragte er: „Soll ich Ihnen mal die Karibik zeigen?“
    „Karibik?“
    „Meine Zimmer haben verschiedene Namen. Afrika... Südafrika... Südostasien und so weiter... Das letzte, das ich eingerichtet habe, heißt Karibik...“
    „Vielleicht ein anderes Mal, Mister Aston „Stimmt“, die Miene des alten Mannes verdunkelte sich wieder, „Sie sind ja wegen anderer Fragen gekommen. Also, was wollen Sie wissen?“
    Clifton schlug seine Schreibmappe auf. Dabei sagte er: „Bei der Versicherung erzählte man mir, daß Sie der einzige Augenzeuge des Unfalls gewesen seien.“
    Aston fuhr sich über die Stirn. Es sah aus, als wolle er mit dieser Handbewegung böse Erinnerungen verwischen. „Ja. Ich stand nur wenige Meter davon entfernt.“
    „War Nebel?“
    „Nicht die Spur. Hier oben ist selten Nebel. Und zu dieser Jahreszeit schon gar nicht.“
    „Man sagte mir auch, daß es bis heute ein Rätsel geblieben sei, was Mrs. Burton in dieser doch immerhin ziemlich abgelegenen Gegend zu suchen hatte. Angeblich habe sie ja zum Fährschiff nach Dover gewollt.“ John Aston hatte längst zu schaukeln aufgehört.
    „Es dämmerte... Ich war auf dem Weg zu den Felsen... Jeden Abend gehe ich dorthin... Oder fast jeden Abend. Ich brauche das. Wenn man über zwei Drittel seines Lebens aufs Wasser geguckt hat, dann kann man nicht plötzlich von einem Tag auf den

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