Das geheimnisvolle Gesicht
kräuselte sich ein dünner, heller Rauchfaden, der vom Wind gepackt und hin und her gebeutelt wurde, bis er sich auflöste zu einem Stück unsichtbarer Luft...
Am fünften Haus dagegen, einem länglichen, flachen Gebäude, wurde gearbeitet, besser gesagt: gepinselt. Eine Frau mit einem rot-weiß gepunkteten Kopftuch malte mit energischen Pinselstrichen die Haustür mit neuem Braun an. Sicher handelte es sich um Violet Silverstone. Als Perry Clifton an ihr vorbeifuhr, rief er laut: „Guten Morgen, Mrs. Silverstone!“ Doch die Malerin nahm keinerlei Notiz von ihm. Weder von seinem Zuruf (den sie der geschlossenen Wagenfenster wegen nicht hören konnte) noch vom Geräusch des vorbeifahrenden Wagens. Neugier schien also nicht zu ihren (Un-)Tugenden zu gehören...
Noch dreihundert Meter.
Die Straße, die noch nie eine war, wurde nun endgültig zum holprigen Feldweg.
Da sah Perry Clifton auch schon das Haus des ehemaligen Leuchtturmwärters John Aston, der so viele Stacheln haben sollte. „Wahrscheinlich hält er nicht viel vom Rasieren“, dachte Perry, während er den Wagen behutsam durch die gemeindeeigenen Schlaglöcher dirigierte.
Es war ein eigenartiges Haus; in einem Zug grob und doch pittoresk, skurril, verwinkelt und — lustig. Ja, es machte auch auf Perry Clifton einen ausgesprochen lustigen Eindruck, wie es so dastand: hingebaut, dazugebaut, draufgebaut und angebaut. Alles aus dem gleichen silbergrauen Kalkstein wie die übrigen Häuser des Ortes auch... Ein einstöckiges Haus, das aus vielen kleinen Anbauten bestand. Nur das der Straße oder besser dem Weg zugewandte Mittelstück schien von Beginn an dagewesen zu sein...
Perry Clifton hielt direkt neben dem winzigen Vorgarten.
Er schaltete den Motor aus, zog den Zündschlüssel ab und stieg aus — in der Hand eine Schreibmappe und einen Fotoapparat. Der von Süd kommende Wind trug den Salzgeruch des Meeres herüber. Auch gelegentliches Möwengeschrei störte die Stille, die fast etwas Gespenstisches an sich hatte.
Das halbmeterhohe Gartentor war nur angelehnt. Der Detektiv drückte es mit dem Knie auf. Noch hatte er keine zwei Schritte auf das Haus zu gemacht, als sich die Haustür öffnete.
„Er hat wirklich ein Leuchtturmwärtergesicht“, durchfuhr es Perry Clifton, als er John Astons ansichtig wurde. Das wettergegerbte Gesicht, die Augen, die jetzt allerdings nicht in die Weite, sondern ziemlich mißtrauisch auf den ungebetenen Besucher blickten. „Was gibt’s, Mister? Haben Sie eine Panne?“
„Würde zum Weg passen!“ dachte Perry, während er auf die massige Gestalt des Leuchtturmwärters zutrat.
„Ich habe keine Panne. Ich suche Mister John Aston!“
„Bin ich!“ Aston schien es nach keiner Unterhaltung zu gelüsten, das ging aus seiner Kurzangebundenheit unüberhörbar hervor.
„Mein Name ist Clifton, Mister Aston. Ich komme aus London und hätte mich gern einmal mit Ihnen unterhalten.“
„Mit mir? Worüber?“
„Über einen Unfall, Mister Aston!“
Hatte sich Perry Clifton geirrt, oder war der Mann vor ihm wirklich zusammengezuckt?
„Über welchen Unfall?“
„Gibt es hier so viele, daß Sie das fragen?“
Der mächtige Brustkorb des großen Mannes dehnte und spannte sich. Und böse antwortete er: „Es gibt hier nur einen! Und über diesen einen habe ich schon so viel erzählt, daß es mir reicht! Wenn Sie also etwas wissen wollen, dann fahren Sie zur Polizei nach Folkestone!“
Er wollte sich schon abwenden, als ihm noch etwas einfiel. Etwas Unangenehmes scheinbar.
„Sie kommen aus London?“
„Ja!“
„Wer schickt Sie? Sie schickt doch einer!!“
„Wer sollte mich schicken, Mister Aston? Ich arbeite für ein großes Londoner Journal und bereite eine Serie über ungewöhnliche Versicherungsfälle vor. Das ist alles!“
„Was ist an diesem Fall so ungewöhnlich? Jemand stürzt ins Meer und ertrinkt — aus! Was ist daran ungewöhnlich?“
„Ein Wagen, der rückwärts ins Meer stürzt, eine Frau, die nicht gefunden wird, und eine Versicherung, die an keinen Unglücksfall glaubt. Dazu die Tatsache, daß die Verunglückte zu einer Hochzeit nach Frankreich wollte. Ist das nicht ungewöhnlich?“
„Was geht’s mich an?“
„Sie wollen mir also keine Auskünfte geben?“ forschte Clifton und musterte John Aston wie der Arme den Reichen.
„Kommen Sie rein!!“ Man merkte es Aston an, daß ihn diese Aufforderung sichtlich Überwindung kostete. Und Perry Clifton registrierte mit stummer Verwunderung
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